Das Zusammenspiel unzähliger Pflanzen- und Tierarten prägt die artenreichen Blumenwiesen. Sie sind farbig, in ihnen summt, schwirrt und krabbelt es! Mehr als die Hälfte aller Pflanzenarten in der Schweiz leben in diesem Lebensraum. Sie sind die Lebensgrundlage für zahlreiche Tierarten. In den letzten Jahrzehnten sind 90 Prozent dieser einzigartigen Blumenwiesen verschwunden. Daher sind Schutz, Aufwertung und Neuanlage von artenreiche Wiesen sehr wichtig für die Biodiversität in der Schweiz.
Pro Natura kämpft für den Schutz der Blumenwiesen
In der politischen Arbeit fordern wir Schutz und Aufwertung von artenreichen Wiesen. Das betrifft vor allem jene Flächen, die nicht bereits gesetzlich geschützt sind. Konkret geht es um landwirtschaftlich genutzte Flächen, öffentliche Grünflächen im Siedlungsraum wie Pärke, Bahn- und Strassenböschungen oder auch private Gärten.
Besonders wertvolle artenreiche Blumenwiesen sind im Inventar der Trockenwiesen und -weiden (TWW) von nationaler Bedeutung aufgeführt. Sie sind gesetzlich geschützt. Pro Natura verlangt einen konsequenten Vollzug der 2010 vom Bund erlassenen Verordnung.
Pro Natura packt auch selber an: Viele Pro Natura Naturschutzgebiete beherbergen prächtige, artenreiche Blumenwiesen. Praktische Projekte wie Regio Flora und ProBiotop, angestossen von Pro Natura, erhalten und fördern den Artenreichtum auf gefährdeten Wiesenflächen. In Umweltbildungsangeboten und Informationsprojekten zeigt Pro Natura, was jede und jeder für farbenfrohe Blumenwiesen tun kann.
- Benoît Renevey
Artenvielfalt durch Menschenhand
Auf einem Fünftel unserer Landesfläche wachsen heute Wiesen und Weiden. Sie prägen das Bild der Schweiz. Entstanden sind sie durch den rodenden Menschen, der für sich und sein Vieh Wiesen, Weiden und Äcker schuf. Zwischen Boden, Pflanzen und Tieren hat sich über Jahrhunderte ein einzigartiges Beziehungsnetz entwickelt. Kein anderer Lebensraum birgt so viel Artenvielfalt pro Quadratmeter. Ohne landwirtschaftliche Nutzung würden Wiesen und Weiden wieder zu Wald werden. Bei zu intensiver Nutzung hingegen entwickeln sie sich zu artenarmen, eintönigen Grasteppichen.
Wiese ist nicht gleich Wiese
Es gibt viele verschiedene Wiesentypen. Farbenfrohe Fromentalwiesen, Trocken- und Feuchtwiesen und Säume. Fachleute unterscheiden mindestens 30 Ausprägungen mit zahlreichen spezialisierten Tierarten.
Ob eine Wiese farbenfroh und artenreich ist oder grün und eintönig, hängt hauptsächlich von zwei Faktoren ab: Dem Standort (Boden und Klima) und der Bewirtschaftung. Klima und Boden geben die mögliche Artenvielfalt vor. Ob dieses Potential realisiert wird, hängt von der Funktion und der damit verbundenen Art der Bewirtschaftung der Wiese ab. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten kommen die artenreichen Wiesen immer stärker unter Druck und verschwinden fast gänzlich.
Inventar zum Schutz der Trockenwiesen und -weiden
In 10-jähriger Arbeit wurden in allen Kantonen die besonders wertvollen Trockenwiesen und -weiden kartiert. Die knapp 3000 inventarisierten Objekte von nationaler Bedeutung umfassen ungefähr 0,5 % der Landesfläche. Das TWW-Inventar ist neben den bestehenden Biotopinventaren über die Hoch- und Übergangsmoore, Flachmoore, Amphibienlaichgebiete und Auengebiete vorläufig das letzte Inventar dieser Art.
2009 haben wir zusammen mit dem Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz mit der Petition zum Schutz der letzten Trockenwiesen und -weiden über 38'000 Unterschriften gesammelt. Diese forderte, die bereitliegenden Instrumente endlich umzusetzen. Das TWW-Inventar sowie die Inkraftsetzung der Verordnung ist ein erster Schritt dazu. Unter anderem müssen bis 2020 alle TWW von nationaler Bedeutung vertraglich geschützt sein.
Die Intensivierung der Landwirtschaft ist einer der wichtigsten Gründe für den Rückgang der artenreichen Wiesen. Der vermehrte Einsatz von Dünger bewirkt ein verstärktes Wachstum konkurrenzstarker Gräser und erlaubt eine frühere und häufigere Nutzung. Rasch wachsende Arten, die an nährstoffreiche Böden und einen häufigen Schnitt angepasst sind, dominieren die meist konkurrenzschwächeren Pflanzenarten der artenreichen Blumenwiesen, die auf Vermehrung durch das Versamen angewiesen wären. Als Folge gleichen die Flächen zunehmend einem einheitlich grünen Teppich. Auch die Wahl der Erntemaschinen hat einen grossen Einfluss auf die Artenvielfalt, vor allem auf die Kleintiere. Mit den heute häufig eingesetzten Maschinen zur Mahd werden beispielsweise mehr als 80 % der Heuschrecken getötet. Aber auch die schnell fortschreitende Ausdehnung des Siedlungsgebiets und damit verbundener Infrastruktur sowie die Aufgabe der Bewirtschaftung im Berggebiet tragen massgeblich zum Verschwinden bunter Blumenwiesen bei.
Seit der Einführung der ökologischen Ausgleichszahlungen in der Landwirtschaft 1995 versucht der Bund dem Sinkflug der Blumenwiesen entgegenzuwirken. Unter anderem werden in diesem Rahmen auch die extensive Bewirtschaftung von Wiesen und Weiden gefördert. Besonders wertvolle Flächen sind im Inventar von Trockenwiesen und -weiden (TWW) von nationaler Bedeutung aufgeführt. Der Bundesrat hat im Jahr 2010 eine Verordnung zum Schutz dieser Flächen verabschiedet. Beides sind sehr wichtige Instrumente zum Schutz der artenreichen Wiesen. Leider zeigen sie aber eine zu schwache Wirkung. Noch immer verschwinden jährlich zig Hektaren wertvoller Wiesenflächen. Nicht nur die Landwirtschaft hat Verbesserungspotenzial: Öffentliche Grünflächen, private Gärten, Strassen- und Bahnböschungen können viel zum Erhalt der vielfältigen Lebensräume beitragen, wenn sie entsprechend geplant, angelegt und gepflegt werden. Deshalb engagiert sich Pro Natura auf allen Ebenen für den Erhalt und die Förderung der artenreichen Wiesen.
Blumenwiesen gestern und heute
Auf dem Bild links eine üppig blühende Fromentalwiese im Frühjahr mit Roter Waldnelke und Scharfem Hahnenfuss – beide Zeiger einer bereits begonnenen Intensivierung (© Graphische Sammlung der Schweizerischen Nationalbibliothek / Willy Burkhardt). Rechts ist dieselbe Fläche nach dem zweiten Schnitt zu sehen – eine reine Fettwiese mit Weiss-Klee, Raygräsern und Wiesen-Bärenklau (© Pro Natura / Nathalie Reveney).