Die Hain-Schnirkelschnecke ist das Tier des Jahres 2025
Weit verbreitet, aber wenig beachtet: Die Hain-Schnirkelschnecke ist überall in der Schweiz zu Hause. Sie besiedelt unterschiedliche Lebensräume von lichten Wäldern über vielfältiges Agrarland bis zu naturnahen Gärten. Höhere Lagen ab 900 Metern über Meer meidet sie. Die Art ist aktuell nicht bedroht.
Warum wählt Pro Natura die Hain-Schnirkelschnecke zum Tier des Jahres?
Die Hain-Schnirkelschnecke nimmt über ihre raue Raspelzunge tote oder welke Pflanzenteile, Pilze, Moose und gelegentlich Aas auf. Sie ist Teil jener enormen Vielfalt an Lebewesen, die organisches Material abbauen und dem Boden zuführen.
Damit ist sie eine «Bodenmacherin». Die Biodiversität im Boden sichert die Grundlage, auf der wir buchstäblich alle stehen. Wo der Boden durch Versiegelung, schwere Maschinen oder Pestizideinsatz geschädigt wird, leiden Arten wie die Hain-Schnirkelschnecke. Deshalb ruft Pro Natura mit dem Tier des Jahres 2025 dazu auf, dem Bodenleben mehr Sorge zu tragen.
- Stéphane Vitzthum
Schönheit in mehreren Farben
Hain-Schnirkelschnecken gehören mit einem Häuschen-Durchmesser von rund 2.5 Zentimetern zu den grösseren einheimischen Schneckenarten. Ihr schmuckes rechtsgedrehtes Häuschen trägt bis zu fünf dunkle Bänder und variiert in seiner Farbe von cremig-weiss bis pastellrot. Als Unterscheidungsmerkmale von der sehr ähnlichen Garten-Schnirkelschnecke eignen sich Gehäusemund und -nabel. Sie sind bei der Hain-Schnirkelschnecke stets dunkel gefärbt. Das Schneckenhaus ist nicht nur der Rückzugsort der Schnecke bei Trockenheit oder Kälte. Das Kalkgehäuse enthält auch Herz, Leber, Lunge, Magen und Niere des Tieres.
Wussten Sie, dass es vereinzelt sogenannte Schneckenkönige gibt, bei denen das Häuschen links- statt rechtsgedreht ist? Bei diesen Schnecken sind auch die Organe im Häuschen spiegelverkehrt angeordnet.
- Matthias Sorg
Amore, amore…
Zur Paarungszeit im Frühling oder Herbst bieten die Hain-Schnirkelschnecken ein erstaunliches Schauspiel. Bevor die zwittrigen Tiere Samenpakete austauschen, liebkosen sie einander stundenlang, inklusive Stimulation mit einem Liebespfeil aus Kalk. Später legen sie einige Dutzend Eier in eine selbst gegrabene Erdhöhle. Die winzigen Jungschnecken schlüpfen nach drei Wochen. Die Hain-Schnirkelschnecke wird mit drei Jahren geschlechtsreif. Sie kann in der Natur etwa sechs Jahre alt werden.
- Sylvain_Montagner
Wussten Sie, dass sich die Hain-Schnirkelschnecke im Winter zurückzieht und bei tiefen Temperaturen in eine Winterstarre verfällt?
- Alice Wassmer
Guter Schleim ist alles
Die Hain-Schnirkelschnecke bewegt sich auf ihrem muskulösen Fuss vorwärts, immer auf dem selbst produzierten Schleimteppich gleitend. Sie kann selbst Messerschneiden unbeschadet überkriechen. Eine Hain-Schnirkelschnecke legt etwa 3.5 Meter pro Stunde zurück. Schnecken können je nach Bedarf Schleim in unterschiedlichen Zusammensetzungen produzieren: Als «Reiseteppich», bei der Paarung, als Abwehrmittel, bei Verletzungen.
Bild: Diese Hain-Schnirkelschnecke hat ihr Gehäuse mit einem Film aus getrocknetem Schleim verschlossen. So schützt sie sich gegen Trockenheit.
Vielfalt in der Schneckenwelt
254 Schneckenarten sind bisher in der Schweiz nachgewiesen worden. Schnecken besiedeln praktisch alle Lebensräume der Schweiz, vom Grundwasser über Seen und Flüsse, Wälder und Wiesen bis hinauf ins Hochgebirge. Die Gletscher-Glasschnecke lebt sogar im ewigen Eis! Rund 40 Prozent der Schneckenarten der Schweiz sind bedroht. Die Rote Liste der Mollusken der Schweiz (Schnecken und Muscheln) wird aktuell überarbeitet. 2026 werden wir wissen, wie es um die Schneckenwelt der Schweiz steht.
- Luca Pagano
Drei Zahlen
Wunder Bodenleben
Unglaublich, aber wahr: In einer Handvoll Erde wuseln etwa 10 Milliarden Lebewesen. Zwei Drittel aller bekannten Arten der Welt leben im Boden. Zur Bildung von fruchtbarem Boden tragen Arten wie die Hain-Schnirkelschnecke bei, indem sie organisches Material rezyklieren. Der schweizerische Bundesrat hält in seiner «Bodenstrategie 2020» fest, dass der gegenwärtige Umgang mit den Böden nicht nachhaltig sei: Sie werden durch Bautätigkeit zerstört oder durch Erosion, Verdichtung und Schadstoffe belastet.
- Matthias Sorg
Zur Miete gesucht: Schneckenhaus
Schnecken spielen eine wichtige Rolle im Kreislauf der Natur. Dass sich Vögel, Igel, Kröten und andere Arten von Schnecken ernähren, ist allgemein bekannt. Auch von Weinbergschnecken an Kräutersauce hat man schon gehört. Aber kennen Sie die Schneckenhaus-Mauerbiene? Sie baut ihr Nest in verlassenen Schneckenhäusern. Bei anderen Arten sind Schneckenhäuser als schützender Unterschlupf oder Winterquartier gefragt, zum Beispiel bei Asseln oder Spinnen.
Bild: Eine Schneckenhaus-Mauerbiene hat sich das verlassene Haus einer Weinbergschnecke für ihre Eiablage ausgesucht. Jetzt verschliesst sie das Nest mit Pflanzenmörtel.
«Und mein Salat?»
Unter Gärtner:innen sind sie ein Dauerthema: die gefrässigen Schnecken. Oft wird übersehen, dass die meisten Schneckenarten sich nicht an Salat und Blumen vergreifen. Manche Arten sind sogar ausgesprochen nützlich im Garten, denn sie verzehren die Eier anderer Schneckenarten.
Schneckenkörner sind im naturnahen Garten deshalb tabu. Sie töten auch Arten wie die Hain-Schnirkelschnecke. Wie Sie Ihren Salat wirkungsvoll gegen Schneckenfrass schützen können, lesen Sie hier.
Bild: Einsammeln und weg damit - die naturfreundlichste Methode zur Bekämpfung der Spanischen Wegschnecke.
Vielfalt und Strukturen pflegen
Die Hain-Schnirkelschnecke ist bezüglich ihres Lebensraumes nicht besonders anspruchsvoll. Doch ohne Unterschlupf, Schattenplätze und welkes Pflanzenmaterial kann auch sie nicht sein. Wo öffentliche Grünflächen und Gärten vielfältig und naturnah gestaltet sind, kann im Frühling die Schneckenpirsch beginnen: Finden Sie in Ihrem Quartier oder in Ihrem Garten das hübsche Tier des Jahres 2025? Schnecken mögen’s feucht: Die beste «Jagdzeit» ist deshalb frühmorgens oder gegen Abend, an regnerischen Tagen auch tagsüber.
- Matthias Sorg
Das tun wir für die Hain-Schnirkelschnecke
Pro Natura sichert über 800 Naturschutzgebiete in allen Regionen der Schweiz. In vielen dieser Gebiete kommt auch das Tier des Jahres 2025 vor. Entdecken Sie eines unserer Schutzgebiete.
Verschwindet der Boden unter Teer und Beton, ist er auf lange Zeit zerstört – da nützen all die kleinen «Bodenmacherinnen» wie die Hain-Schnirkelschnecke auch nichts mehr. Pro Natura setzt sich deshalb in der Raumplanung für einen haushälterischen Umgang mit dem Boden ein.
Auch landwirtschaftlich genutzte Gebiete können die Hain-Schnirkelschnecke beherbergen. Dafür braucht es Vielfalt im Kulturland und eine schonende Bewirtschaftung des Bodens. Daran arbeitet Pro Natura zum Beispiel mit der «Aktion Hase & Co.».
Die Hain-Schnirkelschnecke und viele andere Tier- und Pflanzenarten leben auch in Städten und Dörfern. Deshalb engagiert sich Pro Natura mit zahlreichen Projekten für die Natur vor unserer Haustür.