Biodiversität verpachten – Chance für Mensch und Natur
«Für den Vater war es schon ein harter Schlag», erzählt Tobias Angliker. Erst 2021 hat er den Ziegelhof übernommen und führt ihn in einer Übergangsphase noch gemeinsam mit seinem Vater. Ein harter Schlag? Damit meint Angliker den Wunsch der Verpächter, dass das gepachtete Land künftig stärker zugunsten der Biodiversität genutzt wird.
Die Anglikers betreiben einen Pferdehof mit Ackerbau und einigen Mutterkühen in konventioneller Landwirtschaft im Aargau. Seit 30 Jahren pachten sie knapp 4 Hektaren Land, die seit 2021 die Erbengemeinschaft Walter Nyffenegger verwaltet. Als passionierte Naturschützer und Naturschützerinnen sahen die Mitglieder der Erbengemeinschaft die Chance, auf die Nutzung des Lands Einfluss zu nehmen. Sie wollen so einen Beitrag zur Förderung der Biodiversität leisten. Wilde Hecken mit einheimischen Sträuchern schwebten ihnen vor.
Nachhaltig für alle Beteiligten
Der Weg durch den Pachtvertrag-Dschungel ist aber nicht einfach. Genau hier setzt das Projekt «Biodiversität verpachten» von Pro Natura an. Pro Natura unterstützt die Anliegen der Verpächter, möchte aber mit professionellen Beratungen zielführende Lösungen schaffen, die auch für die Pächter funktionieren. Deshalb arbeitet Pro Natura mit externen Beratungsfirmen zusammen und übernimmt die Beratungskosten. «Nur Lösungen, die für alle Beteiligten funktionieren, sind nachhaltig und zielführend», ist auch die Devise von Bea Vonlanthen, Beraterin bei der Agrofutura AG, die wesentlich an der Projektumsetzung beteiligt ist. Unter allen Beteiligten versteht sie Pächter, Verpächterin und Natur.
Flieg, Feldlerche, flieg!
Bei der ersten Begehung der gepachteten Flächen zeigte sich schnell, dass Hecken hier nicht das ideale Instrument für die Biodiversitätsförderung sind. Das Land befindet sich nämlich in einem Feldlerchengebiet. Diese sehr selten gewordenen Bodenbrüter nisten lieber auf offenen, übersichtlichen Fluren und fühlen sich durch Hecken eingeengt. Wichtig für Feldlerchen sind dagegen Buntbrachen und Kleinstrukturen in Kombination mit dem Verzicht auf Pestizide. Bea Vonlanthen schlug deshalb für das Pachtland der Erbengemeinschaft unter anderem folgende Massnahmen vor:
Ab 2022 werden knapp 25 Prozent der Pachtparzellen als Bunt- oder Rotationsbrache angemeldet und entsprechend bewirtschaftet.
Die Ackerkulturen sind möglichst ohne Pflanzenschutzmittel (Fungizide, Herbizide und Insektizide) zu bewirtschaften. Dies bedeutet für die einzelnen Kulturen:
- Beim Anbau von Getreide, Mais und Raps ist zu 100 Prozent auf den Einsatz von Pflanzenschutzmittel zu verzichten.
- Beim Anbau von Zuckerrüben können Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Die Entwicklung zur Reduktion von Pflanzenschutzmittel bei den Zuckerrüben ist zu beobachten. Zeichnen sich erste Lösungsansätze ab, sind diese auf den Parzellen anzuwenden.
- Angela Peter
«Jetzt eigne ich mir neues Wissen an.»
Für die Anglikers kamen die vorgeschlagenen Massnahmen der Erbengemeinschaft überraschend. Man schätzte aber den frühen Austausch und den Einbezug der Bauernfamilie. Betriebsleiter Tobias Angliker meint, ähnliche Forderungen würden früher oder später sowieso zum Standard. Es sei sinnvoll, sie bereits jetzt umzusetzen. In der Ausbildung hätten sie diese Themen aber nur grob angeschnitten. «Jetzt lese ich mich in neue Techniken ein und eigne mir neues Wissen an», so Angliker. Er ist bereits gespannt auf die erste Raps-Saison mit einer Untersaat. Die Untersaat dient dazu, unerwünschte Pflanzen auf natürliche Weise zu unterdrücken. So wird der Einsatz von Herbizid überflüssig.
Doch der pestizidfreie Rapsanbau bleibt sehr anspruchsvoll. Das berücksichtigen die Verpächter. Sollten die Anglikers im Folgejahr grössere Ertragsausfälle erleiden, wird die Erbengemeinschaft auf den entsprechenden Flächen mit dem Pachtzins entgegenkommen.
Gezielte Förderung, gezielte Massnahmen – und gezielter Anflug
Das gegenseitige Verständnis wird weiter durch eine gemeinsame Flurbegehung gefördert, an der Pächter und Verpächterinnen zusammen mit der Beraterin die Entwicklung der umgesetzten Massnahmen begutachten. Ein schöner Anfang ist gemacht, versichert Tobias Angliker: «Der Vater, der zu Beginn skeptisch war, schaut sich bereits nach weiteren neuen Nistplätzen für Wildbienen um». Nicht umsonst, denn die Insekten haben bereits gemerkt, dass sich auf den Feldern etwas verändert. Bei näherer Betrachtung der Buntbrache sieht auch das ungeschulte Auge mehr als nur Erde und etwas Grün. Die erste zarte Mohnblume wird bereits von einer Schwebfliege gezielt angeflogen.
- Angela Peter
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