«Der Geist der Landschaftsinitiative lebt weiter»
Pro Natura Magazin: Könnten Sie uns die Ziele der Landschaftsinitiative in Erinnerung rufen?
Elena Strozzi: Das Ziel war, dem Bauboom im Nichtbaugebiet einen Riegel zu schieben. Nachdem zwischen 2014 und 2019 bereits mehrere Anläufe für die zweite Revisionsetappe des Raumplanungsgesetzes misslungen waren, wollte Pro Natura zusammen mit anderen Organisationen aufzeigen, wie der Zersiedelung Einhalt geboten werden kann. 2019 wurde die Landschaftsinitiative lanciert und 2020 eingereicht.
Ende September hat das Initiativkomitee den bedingten Rückzug der Initiative beschlossen. Warum?
Das Initiativkomitee hat die Revision des Raumplanungsgesetzes, die vom Parlament Ende September einstimmig angenommen wurde, genau mitverfolgt. Die Initiative hat die parlamentarischen Debatten stark geprägt, und mit dem neuen Stabilisierungsziel nimmt das Gesetz nun eine ihrer zentralen Forderungen auf. Dies ist ein Grund, warum sich das Initiativkomitee nach gründlicher Beurteilung aller Aspekte des neuen Gesetzes – auch der negativen – für einen Rückzug ausgesprochen hat.
Was bedeutet «bedingter Rückzug»?
Die Bedingung besteht darin, dass das RPG2 auch tatsächlich in Kraft tritt. Dies ist dann der Fall, wenn kein Referendum dagegen ergriffen wird – was nicht wahrscheinlich ist. Ende Januar, Anfang Februar wissen wir mehr.
Haben Sie mit einem Gegenvorschlag gerechnet?
Eine Volksinitiative verfolgt stets mehrere Ziele, unter anderem die Ausarbeitung eines guten Gegenvorschlags. Ein indirekter Gegenvorschlag bedeutet, dass die Gesetzesänderungen schneller in Kraft treten, als wenn dazu eine Verfassungsänderung erforderlich ist. Wir haben immer klar kommuniziert, dass wir die Initiative bei einem ausreichend guten Gegenvorschlag gegebenenfalls zurückziehen.
Die Gretchenfrage: Ist Pro Natura zufrieden mit dem Gegenvorschlag?
Insgesamt ja. Dank des Drucks durch die Initiative hat das Parlament eines der Hauptziele der Initiative im Raumplanungsgesetz festgeschrieben: das Stabilisierungsziel für die Anzahl Bauten im Nichtbaugebiet. Ebenfalls stabilisiert werden soll die Bodenversiegelung. Wir mussten uns zwar von einigen unserer Forderungen verabschieden, namentlich von der Begrenzung der im Gesetz vorgesehenen zahlreichen Ausnahmen. Wir werden jedoch bei der Umsetzung des Gesetzes genau hinschauen, ob die Zonenordnung auch wirklich eingehalten und die Bodennutzung ausserhalb der Bauzone auch wirklich zurückhaltend gehandhabt wird.
Die Anzahl der Gebäude ausserhalb der Bauzone soll sich nicht erhöhen. Mit diesem Stabilisierungsziel greift das Gesetz eine zentrale Forderung der Initiative auf.
Was wurde sonst noch erreicht?
Die Kantone sind ab jetzt auch verpflichtet, die Stabilisierungsziele in ihre Richtpläne aufzunehmen und festzulegen, wie sie die Ziele erreichen wollen. Dazu haben sie fünf Jahre Zeit. Für den Fall, dass die Ziele nicht erreicht oder nicht eingehalten werden, sind Sanktionen vorgesehen.
Diese Punkte sind neu.
Manche Raumplanungsexperten, vor allem Juristen, kritisieren den Rückzug. Können Sie das nachvollziehen?
Im gegenwärtigen politischen Umfeld haben wir das erreicht, was realistischerweise möglich war. Aber ein Kompromiss bleibt ein Kompromiss. Und alle müssen sich darin wiederfinden. Uns ist klar, dass dieser Ansatz auch Grenzen hat. Aber in der Politik muss man manchmal Konzessionen machen, und in diesem Sinne haben wir uns für den Rückzug entschieden. Dabei gilt es auch zu bedenken, dass man bei einer Volksabstimmung nie weiss, wie gut die Chancen für ein Ja wirklich stehen. Klar ist: Hätten wir die Initiative zur Abstimmung gebracht, hätte es in jedem Fall länger gedauert, bis ein neues Raumplanungsgesetz in Kraft getreten wäre.
Kommen wir noch einmal auf den Gegenvorschlag zurück, der mit den «Sonderzonen» ein neues kontroverses Element enthält. Worum geht es da?
Die Sonderzonen, die die Kantone bestimmen dürfen, erweitern die Möglichkeiten, in der Nichtbauzone neue Gebäude zu errichten errichten und ehemalige Landwirtschaftsgebäude in Wohnbauten umzunutzen. Sie sind tatsächlich eine Blackbox – die Auswirkungen auf die Landschaft werden von der Umsetzung abhängen. Wir konnten aber erreichen, dass die Kantone solche Gebiete nur ausscheiden dürfen, wenn Biodiversität, Baukultur und Landschaft ebenfalls davon profitieren.
Mussten Sie in diesem Punkt am meisten nachgeben?
Jein. Die Sonderzonen müssen in den kantonalen Richtplänen aufgeführt werden, und es gibt sehr präzise Kriterien dafür. Das ist in unserem Sinn. Und immerhin taucht der Begriff Biodiver sität nun zum ersten Mal überhaupt im Raumplanungsgesetz auf! Überhaupt nicht in unserem Sinn ist es hingegen, dass nun bestehende Hotels und Restaurants ausserhalb der Bauzone ersetzt und vergrössert werden dürfen.
Wollten Sie auch zeigen, dass die Natur- und Landschaftsschutzorganisationen nicht einfach nur verhindern wollen?
Nein, ich denke nicht, dass solche Überlegungen eine Rolle gespielt haben. Wir haben den parlamentarischen Prozess auf konstruktive Art begleitet. Aber umso besser, wenn man uns als Akteure wahrnimmt, mit denen sich reden lässt.
Wie werden Sie sich im weiteren Verlauf dieses Prozesses einbringen, insbesondere in Bezug auf die Verordnung, die das Bundesamt für Raumentwicklung umsetzen muss?
Es ist klar, dass unsere Arbeit mit dem Rückzug der Initiative nicht abgeschlossen ist. Im Gegenteil. Trägerschaft und Partner der Initiative werden sich neu organisieren, um die Umsetzung des RPG2 kritisch zu begleiten und nötigenfalls auch politisch wieder aktiv zu werden.
FLORENCE KUPFERSCHMID-ENDERLIN, redaktionelle Leiterin französischsprachige Ausgabe Pro Natura Magazin
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Info
ELENA STROZZI betreut bei Pro Natura das Dossier Raumplanung und ist zuständig für die Landschaftsinitiative.
Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.
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