Breites Bündnis für eine starke Reduktion des hohen Pestizideinsatzes in der Schweiz
Der Pestizid-Reduktionsplan basiert auf einer systematischen Situationsanalyse in der Schweiz und auf Erfahrungen aus anderen Ländern, die bereits einen Aktionsplan zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln erarbeitet haben. Bei der Analyse zeigte sich, dass die Schweiz zu den Ländern mit einem besonders hohen Pestizideinsatz gehört. Überschreitungen gesetzlicher Vorgaben sind alltäglich. Weit über 100 unerwünschte Stoffe werden regelmässig in Gewässern festgestellt. Die Schweiz zählt, was die Transparenz und Datenlage beim Pestizideinsatz anbelangt, zu den europäischen Schlusslichtern. Die Auswirkungen des Pestizideinsatzes auf die Biodiversität, die menschliche Gesundheit und den Boden sind nur sehr bruchstückhaft bekannt; die eingegangenen Risiken dementsprechend hoch. Die Untersuchung ergab auch, dass ein hoher Pestizideinsatz oft nicht wirtschaftlich ist.
Alternativen zum Pestizideinsatz bisher zu wenig genutzt
Die entscheidenden Massnahmen, die bei den landwirtschaftlichen Kulturen eine nachhaltige und sichere Produktion von Nahrungsmitteln gewährleisten können, beruhen nicht auf Pestizidanwendungen, sondern auf einem standortgerechten Anbau und einer guten fachlichen Praxis. Im Privat- und Siedlungsbereich kann, wie beispielsweise Frankreich zeigt, sogar ganz auf problematische Pestizide verzichtet werden. Der Pestizideinsatz kann ohne Versorgungsengpässe und ohne Mehrkosten für den Steuerzahler – aber mit positiver Wirkung auf Gewässer, Boden und Biodiversität – mit gut realisierbaren Massnahmen um 40-50% in der Landwirtschaft und gar um 80% im Siedlungsbereich reduziert werden.
Zahlreiche Organisationen aus Landwirtschafts-, Trinkwasserversorger-, Gewässerschutz-, Umwelt-, Gesundheits- und Konsumentenkreisen unterstützen die Forderungen des Pestizid-Reduktionsplans explizit und fordern den Bund auf, die Alternativen zum Pestizideinsatz auszuschöpfen und die damit verbundenen sozio-ökonomischen und ökologischen Vorteile konsequent zu nutzen. Der „Nationale Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ des Bundes wird demnächst in die Vernehmlassung geschickt und wird sich am nun vorliegenden Pestizid-Reduktionsplan zu messen haben.
Die Vorgeschichte
Über ein Postulat (12.3299) forderte Nationalrätin Tiana Moser im März 2012 den Bundesrat auf zu prüfen, ob und in welcher Form ein Aktionsplan zur Risikominimierung und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, wie ihn die EU vorsieht, geeignet ist, um die Verringerung der Pestizidbelastung in der Schweiz sicherzustellen. Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulates am 23.5.2012, der Nationalrat folgte dieser Empfehlung am 15.6.2012. Am 21.5.2014 publizierte der Bundesrat die entsprechende Bedarfsabklärung.
Bereits ein Jahr zuvor, am 2.5.2013, hatte die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur in ihrer Motion 13.3367 gefordert, ein Massnahmenpaket zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu beschliessen und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2023 um einen bestimmten Prozentsatz zu reduzieren. National- und Ständerat hiessen dieses Ansinnen ohne Gegenstimme gut. Seither sind die Bundeämter am Erarbeiten eines Aktionsplans.
Vision Landwirtschaft erstellte in Zusammenarbeit mit einer Begleitgruppe den heute veröffentlichten Pestizid-Reduktionsplan, der die Stossrichtung des bundesrätlichen Aktionsplans respektiert, aber eine umfassende Sicht auf den Pestizideinsatz wirft und substanzielle Reduktionsmöglichkeiten aufzeigt. Die zusammengestellten Grundlagen, Fakten und Massnahmen sollen den Prozess unterstützen, um zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt eine massgebliche Reduktion des Pestizideinsatzes zu erreichen.
Kennzahlen [&] Fakten
- In der Schweiz werden pro Jahr gut 2000 Tonnen Pestizide eingesetzt.
- Damit hat der Bund die selbst gesetzten Ziele nicht annähernd erreicht. Bereits 2005 lautete das agrarpolitische Etappenziel, den Pflanzenschutzmittelverbrauch auf 1 500 Tonnen jährlich zu senken.
- Fast alle Grundwasserfassungen im Mittelland, welche für Trinkwasser genutzt werden, sind mit Pestiziden und deren Abbauprodukten belastet. Der Anteil Messstellen in Grundwasserbrunnen, bei denen Pflanzenschutzmitteln in Konzentrationen über dem Toleranzwert liegen, ist zwischen 2005 und 2011 von 11 auf 21 Prozent gestiegen.
- Bei einer umfassenden Untersuchung von fünf mittelgrossen Fliessgewässern im Schweizer Mittelland erfüllte keines die Anforderungen der Gewässerschutzverordnung in Bezug auf die Pestizidbelastung. Insgesamt wurden 100 verschiedene Wirkstoffe in den Wasserproben gefunden, wobei im Durchschnitt jede Probe 40 unterschiedliche Pestizid-Wirkstoffe enthielt.
- Eine produktive Landwirtschaft ohne Pestizide ist möglich, wie bereits heute viele Produzenten in der Schweiz zeigen.
Dokumente und Links:
Die ausführliche Fassung des Pestizid-Reduktionsplans erscheint in Deutsch und Französisch, die Kurzfassung in Deutsch, Französisch und Italienisch. Die Papierversion kann bei Vision Landwirtschaft bestellt werden, die PDF-Versionen sind auf der Homepage von Vision Landwirtschaft und weiteren Organisationen zum Download verfügbar.
Kontaktadressen und weitere Informationen: