«Dabei sind sie es doch, die die Menschen vergiften!»
Sofía Gatica aus Argentinien (Bildmitte) ist 50 Jahre alt und arbeitet in einer städtischen Klinik in Córdoba, der zweitgrössten Stadt Argentiniens. Ihr Leben steht plötzlich Kopf, als ihre Tochter Nandy zur Welt kommt und nur drei Tage nach der Geburt an schwerem Nierenversagen stirbt. Gatica beginnt zu recherchieren und ist schon bald davon überzeugt, dass Pestizide der Grund für den Tod ihrer Tochter sein müssen. Seither widmet sie ihr Leben dem energischen Kampf gegen den Agrarmulti Monsanto. In Argentinien werden auf rund 200 000 Quadratkilometern gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut – begleitet von massiven Pestizideinsätzen.
Pro Natura: 2013 und 2015 wurden Sie Opfer körperlicher Gewalt und Bedrohung. Warum?
Sofía Gatica: 2012 habe ich in der Ortschaft Malvinas Argentinas den Zugang zu einem Grundstück blockiert, auf dem Monsanto eine der weltweit grössten Fabriken für gentechnisch verändertes Saatgut bauen wollte. Der Konzern hatte meine Tochter auf dem Gewissen, und seinetwegen haben meine Söhne Rückstände von Chemikalien im Blut. Gemeinsam mit anderen Aktivisten haben wir Monsanto daran gehindert, mit dem Bau dieser Todesfabrik zu beginnen. Darauf wurden wir mit Feuerwaffen bedroht. Seither bewege ich mich nur noch mit Polizeischutz, ebenso meine Kinder. Und trotzdem wurde ich von Helfershelfern des Multis geschlagen und musste mich mehrmals ins Krankenhaus begeben. Ich bin sogar auf Schadenersatz verklagt worden. Dabei sind sie es doch, die die Menschen vergiften und für ihren Tod verantwortlich sind!
Sie argumentieren, dass Glyphosat für zahlreiche Krankheiten und den Tod von Hunderten von Personen verantwortlich ist. Worauf stützen Sie sich dabei?
Am Stadtrand von Córdoba liegt das Quartier Ituzaingó. Ich habe selber quasi eine epidemiologische Studie durchgeführt, bin von Tür zu Tür gegangen und habe die Menschen befragt. Mehr als die Hälfte der Quartierbewohner ist an Krebs erkrankt, weil sie in unmittelbarer Nähe zu Plantagen mit transgenem Soja leben, auf die Millionen von Litern Glyphosat ausgebracht werden. Dass dieses Soja schlecht für die Gesundheit sein könnte, wussten wir nicht. Wir assen es in unserem Salat, und die Kinder spielten in den Feldern. In einer offiziellen Studie haben die Regionalbehörden von Córdoba ermittelt, dass 33 Prozent der Bevölkerung an Krebs leiden und bei 80 Prozent der Kinder im Blut Rückstände von Pflanzenschutzmitteln nachgewiesen werden können.
2012 haben Sie den renommierten Goldmanpreis erhalten. Hat Ihnen diese Auszeichnung in Ihrem Kampf geholfen?
Ja, seither fühle ich mich ernst genommen und geschützt. Der Preis hat mir auch Kraft gegeben, weiterzukämpfen. Dank unserer NGO, den «Madres de Ituzaingó» (Mütter von Ituzaingó), kamen die lokalen Verantwortlichen von Monsanto ins Gefängnis, wobei der Konzern selbst nicht verurteilt wurde. International konnten wir das Wachstum von Monsanto in einigen Ländern bremsen. Ich weiss nun, dass man sich gegen einen Dämon sehr wohl wehren kann.»
FRANCOIS MUSSEAU arbeitet als Südamerika-Korrespondent.
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Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.
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