Umweltpolitik
Gewässerschutz: Albert Rösti contra Biodiversität
Wer heute mit einer neuen Wasserkraftanlage ein Gewässer beeinträchtigt, muss mit Ersatzmassnahmen wenigstens einen Teil des ökologischen Schadens kompensieren. So verlangt es das Natur- und Heimatschutzgesetz seit 1985. Ältere Anlagen mussten bislang keine solchen Ersatzmassnahmen leisten. Diese werden erst bei einer allfälligen Neukonzessionierung erforderlich. Ihr Umfang bemisst sich heute in der Praxis grundsätzlich am unbelasteten Ausgangszustand des Standortes.
Der kaputte Fluss als Massstab
Dieses Prinzip will der Änderungsvorschlag zum WRG, basierend auf der parlamentarischen Initiative «Ausbau der Wasserkraft zur Stromerzeugung und Stromspeicherung. Anpassung der Umweltverträglichkeitsprüfung» von Albert Rösti, ändern. Neu soll der Ist-Zustand eines genutzten Gewässers bei Neukonzessionierungen von Kraftwerken als Referenz gelten. Heisst: Der durch das bestehende Kraftwerk massiv veränderte und beeinträchtigte Zustand des Fliessgewässers wird flugs gewissermassen zum Naturzustand erhoben. Der kaputte Fluss wird so zum Massstab für die Schädlichkeit erneuter Eingriffe.
Bleibt der Fluss so kaputt wie bis anhin, erübrigen sich Massnahmen für die Behebung der schon vorhandenen Schäden. Dieser absurde Paradigmenwechsel hätte verheerende Folgen für die Biodiversität. Die massiven bestehenden Schädigungen vieler Bäche und Flüsse würden über Jahrzehnte weiter festgeschrieben. Das kann sich die Schweiz schlicht nicht leisten. Schon heute sind zum Beispiel nach offiziellen Zahlen 60 Prozent aller Fischarten der Schweiz vom Aussterben bedroht.
Rösti: Klimaschutz à la carte
Albert Rösti steht als Präsident der SVP und des Lobbyverbandes Swissoil wahrlich nicht im Verdacht, an Klimademonstrationen teilzunehmen. Die kürzliche Versenkung des revidierten CO2-Gesetzes im Parlament trägt ebenso seine Handschrift wie die abschätzige Charakterisierung der gesellschaftlichen Klimadiskussion als «Saison-Thema». Ganz anders, wenn Albert Rösti den SWV-Hut trägt. Die günstige Klimabilanz der Wasserkraft steht ganz oben in der Argumentation für weniger Naturschutz und mehr Subventionen.
Sektorielle Umwelt- und Klimapolitik à la carte je nach Interesse der betroffenen Lobby: Die Umweltorganisationen appellieren an den Bundesrat und die beiden Räte, dieses schmutzige Spiel nicht mitzuspielen. Klimaschutz, Energiepolitik und Bewahrung der Biodiversität gehören zusammen und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Weitere Auskünfte
- Antonia Eisenhut, Geschäftsführerin Aqua Viva, Tel. 076 477 96 03, @email
- Michael Casanova, Projektleiter Gewässerschutz und Energiepolitik, Pro Natura, Tel. 061 317 92 29, @email
- Philipp Sicher, Geschäftsführer Schweizerischer Fischerei-Verband, Tel. 079 218 59 21, @email
- Julia Brändle, Projektleiterin aquatische Biodiversität, WWF Schweiz, Tel. 076 552 18 08, @email