Ehrenamtlich im Einsatz für den Birkhahn: «Das kann ziemlich actionbeladen sein»
Pro Natura Magazin: Birkhähne zu zählen, heisst zuerst mal sehr früh aufstehen – richtig?
Barbara Jaun-Holderegger: Ja, das gehört dazu! Um Viertel nach vier, vor Beginn der Morgendämmerung, müssen wir in Position sein.
Also stapfen Sie in der finsteren Nacht zu einem Beobachtungsplatz?
Normalerweise übernachten wir vor Ort in einer Berghütte auf der Lombachalp, und von dort aus beziehen wir im Dunkeln unsere Beobachtungsplätze.
Was spielt sich dort ab?
Gegen halb fünf kommt langsam die Dämmerung, und dann setzen die ersten Vogelgesänge ein – von der Ringamsel, von Bergpiepern, aber mit etwas Glück hören wir auch seltene Vogelarten wie die Waldschnepfe. Und dann machen sich auf einmal die ersten Birkhähne mit einer Art Kullern und Zischen bemerkbar. Das ist immer höchst spannend!
Und Sie richten Ihr Augenmerk nur auf die Birkhähne?
Ich erfasse jede Viertelstunde, wie viele Birkhähne innerhalb meines Gebiets am Balzen sind. Diese Beobachtungen können ziemlich actionbeladen sein, denn mitunter verfolgen sich die Hähne oder kämpfen sogar miteinander. Auch Birkhennen können sich mit einer Art Gackern bemerkbar machen, doch sie sind hervorragend getarnt und schwieriger zu erkennen.
Sie haben sicherlich auch schon andere faszinierende Tiere beobachtet?
Mir ist mal so ein grosser Auerhahn direkt über den Kopf hinweg geflogen. Auch Hirsche sehe ich regelmässig. Kollegen haben schon einen Luchs oder sogar einen Wolf beobachtet.
Und dann ist für Sie Feierabend, bevor der Tag richtig begonnen hat?
Ja, um acht Uhr brechen wir die Zählung ab, dann werden die Vögel ruhiger, und immer mehr Wanderer kommen ins Gebiet. Danach werten wir zusammen die Daten aus.
Wie haben sich die Bestände der Birkhähne entwickelt?
Wir konnten in den letzten Jahren eine leichte Zunahme registrieren, wenngleich auf nicht hohem Niveau. Doch das zeigt, dass die Massnahmen zur Besucherlenkung durchaus greifen. Der Druck durch die Freizeitaktivitäten hat sich in dieser Gegend stark erhöht, immer neue Interessengruppen sind hinzugekommen; Schneeschuhläufer, Gleitschirmflieger und viele weitere. Da ist es wichtig, diese Besucherströme zu bündeln und die Flora und Fauna zu schützen.
Vermitteln Sie diese Botschaft auch in Ihrem Berufsleben?
Ich unterrichte an der Pädagogischen Hochschule Bern angehende Primarlehrkräfte im Fach Natur, Mensch und Gesellschaft. Dabei sensibilisiere ich sie für die Biodiversität und bringe ihnen Artenkenntnisse bei. In diesem Rahmen gehe ich mit den Studierenden auch jeden Frühling auf die Lombachalp, um ihnen die Schönheit der Birkhahnbalz zu vermitteln. Ich biete an der Hochschule auch jeden Frühling ornithologische Morgenspaziergänge an. Da lauschen wir dem Vogelgesang, bestimmen die Arten, geniessen ihren Anblick – all das vor der ersten Vorlesung. Auch hier lohnt es sich also, früh aufzustehen!
RAPHAEL WEBER,
Chefredaktor Pro Natura Magazin
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Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.
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