Perlen im Niemandsland
1. Lützel: Viele Grenzen und noch mehr Natur
Verloren im Niemandsland – so mag man sich an den Ufern der Lützel tatsächlich vorkommen. Der rund zwölf Kilometer lange Grenzabschnitt ist kaum besiedelt, und im Wesentlichen besteht dieses Tal, in das im Winter wenige Sonnenstrahlen dringen, nur aus zwei Komponenten: Zum einen ist das die kuriose «Route Internationale» – eine spärlich befahrene Strasse, die zwischen französischem Territorium (auf der orografisch linken Uferseite) und Schweizer Boden (rechtes Ufer) hin- und herschlängelt. Zum anderen besteht das Grenztal aus wilder Natur. Die Lützel mäandert hier durch üppige Auenwälder, in denen die Baumstämme von dickem Moos überzogen sind. Der Biber, der sich momentan entlang der Birs ausbreitet, wird in diesem Nebenfluss dereinst ein Paradies vorfinden.
Diesen Grenzabschnitt zu Frankreich touchieren nicht weniger als drei Kantone: Jura, Baselland und Solothurn. Und somit durchquert unser Fluss noch eine weitere Grenze – die Sprachgrenze – und wird von der Lucelle zur Lützel.
Vor ihrer Grenzwanderung speist die Lützel den Lac de Lucelle, ein malerisches Naturschutzgebiet. In der gleichnamigen Ortschaft Lucelle stand im Mittelalter noch ein riesiges Zisterzienserkloster mit einer der renommiertesten Bibliotheken Europas. Im Rahmen der französischen Revolution wurde aber ein Grossteil des Klosters liquidiert und zerstört, danach versank die nun winzige Ortschaft in der Bedeutungslosigkeit. Durch die verbleibenden Nebengebäude des Klosters verläuft heute mittendurch die Landesgrenze – passend zu diesem besonderen Ort im Niemandsland.
- Pro Natura
3. Doubs: Der leidende König
Er ist der König aller Grenzflüsse. Der Doubs bildet auf rund 43 Kilometern die Grenze zu Frankreich, mehrheitlich in einer tiefen und kaum besiedelten Karstschlucht, dem Clos du Doubs. Hier durchfliesst er wilde Auenwälder, enge Canyons, weite Kiesbänke, blühende Feuchtwiesen und formt grandiose Naturlandschaften. Pro Natura unterhält in der Schlucht mehrere Naturschutzgebiete.
Doch der Doubs wird auch malträtiert. Durch die Zuleitung von schlecht gereinigtem Siedlungsabwasser von den darüber liegenden Hochebenen. Durch Pestizide aus der Land- und Forstwirtschaft. Und durch zahlreiche Staumauern, meist ohne Umgehungsgewässer, die den Fluss zerstückeln, allen voran die monströse Staumauer von Le Châtelot mit 74 Metern Höhe. Deshalb steht die endemische Fischart Roi du Doubs unmittelbar vor dem Aussterben.
Die massiven Probleme sind schon lange bekannt. Doch die Lage im Niemandsland zwischen den Grenzen ist für den Doubs eben nicht nur ein Segen, sondern auch ein Fluch. Zwei Länder, mehrere Kantone und «Départements» haben die heisse Kartoffel während Jahrzehnten hin- und hergeschoben. Erst eine Klage von Pro Natura und weiteren Umweltverbänden bei der Berner Konvention hat nun zu ersten Verbesserungen geführt.
4. Rhone: 500 Kilometer vor dem Ende
Auch auf ihrem letzten Schweizer Teilstück bleibt die Rhone ein stark von Menschenhand geprägter Fluss. Unterhalb des Genfersees wird sie zweimal gestaut und hat deshalb ihre natürliche Dynamik verloren. Sonst aber schlängelt sich die Rhone hier durch malerische Landschaften und speist mehrere eindrückliche Auen. Deshalb bildet dieser Abschnitt des drittgrössten Schweizer Flusses, zusammen mit den einmündenden Tälern von Allondon und Laire, eines der elf Ramsargebiete der Schweiz.
Bevor die Rhone die Schweiz definitiv verlässt, formt sie auf sieben Kilometern noch die Grenze zu Frankreich. Danach bleiben ihr noch über 500 Kilometer bis zu ihrer Mündung ins Mittelmeer bei der Camargue.
5. Allondon: Mal ruhig, mal reissend
In der Restschweiz geht gerne vergessen, dass Genf mehr als «bloss» ein Stadtkanton ist und auch grandiose Naturlandschaften beheimatet. Eines der Beispiele dafür ist der Allondon, eines von rund 15 Grenzgewässern alleine im Kanton Genf. Auf seinen zwei Grenzkilometern fliesst er durch ein wildes Tal, in dem die Stadtnähe nicht erahnt werden kann.
Weiterführende Informationen
Info
Titelbild: 1. Lützel © Raphael Weber
Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.
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