Stickstoff-Überschüsse: Bund soll zukunftsgerichtete Betriebe unterstützen
- Die Ammoniak-Emissionen verharren auf einer Höhe, welche für die Umwelt untragbar ist. Das zeigt die im Auftrag der Umweltverbände erstellte Ammoniak-Studie. Sie untersucht die Ammoniak-Situation in neun Kantonen, in denen die Tierproduktion besonders intensiv ist (ZH, LU, BE, ZG, FR, TG, SG, AR, AI). Obwohl das Problem in den meisten untersuchten Kantonen erkannt und teilweise teure Massnahmenpläne erarbeitet wurden, werden die kantonalen und nationalen Reduktionsziele in keinem der untersuchten Kantone (auch nur annähernd) erreicht.
- Um die Ammoniak-Emissionen wirksam zu verringern, müssen die Kantone ihre Rolle als Vollzugsorgane konsequenter wahrnehmen. Es gilt ausserdem die Produktion und den Konsum von pflanzlichen Proteinen zu fördern. Der Bund soll einen Unterstützungsfond für Landwirtschaftsbetriebe schaffen, welche aus der Tierhaltung aussteigen oder ihre Viehdichte reduzieren und vermehrt auf die Produktion pflanzenbasierter Kalorien für die menschliche Ernährung setzen. Zudem müssen staatliche Subventionen abgeschafft oder umgestaltet werden, welche direkt oder indirekt Stickstoff-Überschüsse fördern, z.B. Abschaffung der Absatzförderung für Fleisch, Milchprodukte und Eier.
Zitate
«Der Bericht zeigt, dass fast alle Kantone in der Reduktion von Ammoniak kaum Fortschritte machen, dies trotz vom Bund bezahlten, teuren Ressourcenprogrammen. Bund und Kantone sollten das Problem an der Wurzel packen und Betriebe unterstützen, die von Viehhaltung auf Pflanzenproduktion umstellen wollen.»
Kurt Eichenberger, Projektleiter interkantonaler Ammoniak-Vergleich, WWF Schweiz
«Wir begrüssen, dass der Bundesrat die Dringlichkeit erkannt und im April ernsthafte Reduktionsziele bei den Dünger-Überschüssen festgelegt hat. Diese sollen nun in den Kantonen mit griffigen Massnahmen umgesetzt werden.»
Marcel Liner, Verantwortlicher Agrarpolitik, Pro Natura
«Die Düngewirkung des Ammoniaks hat eine schleichende und zerstörerische Auswirkung auf den Wald und andere Lebensräume, die für Menschen und Tiere lebensnotwendig sind. Das Ammoniak schadet damit der Biodiversität und ist mitverantwortlich für das massive Insektensterben.»
Patrik Peyer, Projektleiter Landwirtschaft, BirdLife Schweiz
«Ammoniak verursacht unter anderem Asthma und andere Lungenkrankheiten.»
Martin Forter, Ärztinnen und Ärzten für Umweltschutz AefU
Die Zeit ist reif für griffige Massnahmen
Die Umweltorganisationen begrüssen, dass der Bund die äusserst schädlichen Ammoniak-Emissionen nun ernsthaft reduzieren will. Diese Ziele sind zu erreichen, wenn wir eine standortangepasste und ressourceneffiziente Landwirtschaft setzen, wie sie in Artikel 104a der Bundesverfassung eigentlich schon seit Herbst 2017 verlangt wird.
Voraussetzung dafür ist, dass wir die Agrarpolitik kohärent ausgestalten. Subventionen, welche direkt oder indirekt Stickstoff-Überschüsse sowie -emissionen verursachen, müssen beseitigt werden. Das Schweizer Grasland lässt sich sinnvoll nutzen. Dies aber nur mit so vielen Tieren, wie mit dem regional vorhandenen Futter auch ernährt werden können. Unsere Äcker sollten wir effizienter nutzen, und zwar für die direkte Produktion von menschlichen Nahrungsmitteln. So erhöhen wir auch die Ernährungssicherheit.
Unser Fleisch soll vorwiegend von Wiederkäuern stammen, die graslandbasiert gehalten und gefüttert wurden – ohne Importfutter. Zudem gilt es zukunftsgerichtete Betriebe zu unterstützen. Dazu könnte der Bund einen Unterstützungsfond für Landwirtschaftsbetriebe schaffen, welche aus der Tierhaltung aussteigen oder die Viehdichte reduzieren und vermehrt auf die Produktion pflanzenbasierter Kalorien für die menschliche Ernährung setzen.
Steuermillionen versanden
In den letzten Jahren sind auf Ebene Bund und Kantone Hunderte Millionen an Steuerfranken in technische Massnahmen zur Behebung und Vermeidung von Umweltschäden aus den hohen Tierbeständen geflossen. So etwa in die Finanzierung des Schleppschlauch-Einsatzes, Finanzhilfen für die Anpassung von Ställen oder der Abdeckung von Güllelagern. Diese Massnahmen hatten durchaus positive Effekte wie das Beispiel des Kantons Zug zeigt.
Doch zugleich wurden diese Anstrengungen zunichte gemacht durch agrarpolitische Fehlanreize wie zum Beispiel die Absatzförderung von Milch, Fleisch und Käse oder Zollerleichterungen für Importkraftfutter etc. Diese Fehlanreize wirken sich ammoniak-fördernd aus - es erstaunt deshalb wenig, dass es bei der Reduktion seit Jahren keine nennenswerten Fortschritte mehr gibt. Dabei ist zu betonen, dass es sich bei dieser Aufgabe um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, die nicht alleine der Landwirtschaft angelastet werden darf. Es braucht also Massnahmen, die auch beim Handel und beim Konsum ansetzen.
Kontakt
- Marcel Liner, Verantwortlicher Agrarpolitik, Pro Natura, 061 317 92 40, @email
- Kurt Eichenberger, Projektleiter interkantonaler Ammoniak-Vergleich, WWF Schweiz, 079 830 96 80, @email
- Patrik Peyer, Projektleiter Landwirtschaft, BirdLife Schweiz, 079 810 04 80, @email
- Martin Forter, Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz AefU, 061 691 55 83, @email
Glossar
Stickstoff: Stickstoff ist ein unentbehrlicher Nährstoff für alle Lebewesen. Der Einsatz mineralischer und organischer Stickstoffdünger zur Steigerung von Erträgen ist gängige Praxis in der Landwirtschaft. Entscheidend ist der sorgsame, bedarfsgerechte und standortangepasste Einsatz. Denn Stickstoffverluste in Form von Ammoniak führen zu Emissionen, welche Klima, Luftqualität und die Biodiversität beeinträchtigen. Stickstoffverluste in Form von Nitrat belasten das Grundwasser und damit unser Trinkwasser.
Ammoniak: Ammoniak entsteht vor allem in der Tierhaltung. Dies weil Gülle und Mist Harnstoff und Eiweiss enthalten, die in Ammoniak umgewandelt werden. Hauptquelle ist die Rinderhaltung, insbesondere Milchvieh, aber auch Mastrinder. Besonders viel Ammoniak entweicht bei der Ausbringung von Gülle, Festmist und Gärresten in die Luft. Über die Luft wird Ammoniak in empfindliche Ökosysteme eingetragen, wo es eine eutrophierende und versauernde Wirkung hat und die Artenvielfalt schädigt.
Weiterführende Informationen
Info
Gemeinsame Medienmitteilung der Umweltallianz (UWA)
Titelbild © Matthias Sorg