Sömmerungsgebiet Matthias Sorg
27.06.2023 Alpen

Schafsömmerung: Pro Natura fordert Gesamtstrategie

Strukturwandel, Arbeitskräftemangel, der Wolf: Die Berglandwirtschaft steht vor grossen Herausforderungen. Um die Schafsömmerung für die Zukunft zu rüsten, ruft Pro Natura die involvierten Akteure dazu auf, gemeinsam regionale Gesamtkonzepte mit ganzheitlichen Lösungen zu erarbeiten.

Die Berglandwirtschaft wird durch die menschgemachte Klimakrise, Arbeitskräftemangel und Wolfspräsenz vor grosse Belastungsproben gestellt. Jährlich geht die Anzahl Sömmerungsbetriebe um zwei Prozent zurück, wachsen hunderte Hektaren Futterflächen ein. Vor allem Schafalpen mit weniger als 50 Tieren gehen ein, weil sie zu abgelegen sind, die Infrastruktur ungenügend ist, sich keine Betriebsnachfolge findet oder Hilfskräfte und Finanzen für den Herdenschutz fehlen. Gleichzeitig wird die Nutzung auf grösseren Betrieben intensiviert. So hat die Anzahl gesömmerter Schafe trotz Rückgangs der Betriebe in den letzten Jahren kaum abgenommen. 

Bessere Informationsgrundlagen nötig 

Auch Rinderalpen stehen vor Problemen: Sennereien werden beispielsweise wegen Wassermangels aufgegeben. «Solche Alpen würden sich teilweise für die Beweidung durch Schafe eignen, mit guten Voraussetzungen für Herdenschutz», sagt Sara Wehrli, Expertin für grosse Beutegreifer bei Pro Natura. Sowohl Alpaufgaben als auch Intensivierung verschärfen die Biodiversitätskrise: «Während aus Naturschutzsicht wertvolle Flächen auf Schafweiden trotz Sömmerungsbeiträgen verlorengehen, führt auf Rinderalpen der Einsatz von Hochleistungsrassen mit Zufütterung von Kraftfutter zu Überdüngung, der Ausbau von Zufahrtsstrassen schädigt Lebensräume und Artenvielfalt», erklärt Pro Natura Agrarexperte Marcel Liner.  

Aufgrund mangelhafter Datenlage bei Bund und Kantonen ist zudem nicht bekannt, wie gut Weideverbote in Gebieten mit empfindlichen Pflanzen umgesetzt werden. «Mit öffentlichen Geldern wird daher aktuell Beweidung auch dort unterstützt, wo sie der Artenvielfalt mehr schadet, als nützt», so Liner. Die Kantone müssten daher unbedingt bessere Informationsgrundlagen schaffen.   

Schafsömmerung neu denken 

Pro Natura würde es begrüssen, wenn sich Nutztierhaltende, Bund, Kantone und Umweltverbände zu einer ernsthaften Diskussion über die Sömmerungspraxis zusammensetzen würden. Ziel sollte es sein, prioritär zu erhaltende Alpen festzulegen und die Alpwirtschaft dort finanziell zu fördern, wo klare Vorgaben des Arten-, Biotop- oder Landschaftsschutzes festgelegt wurden. Beweidung mit Schafen hat beispielsweise nicht überall einen positiven Einfluss auf die Biodiversität. Oberhalb der Baumgrenze, wo Verbuschung von Natur aus nicht stattfindet, hat die Beweidung keine biodiversitätsförderlichen Effekte. Das betrifft rund 40 Prozent der gesamten Sömmerungsflächen der Schweiz; wo Wildtiere weiden und durch Nutztiere verdrängt oder mit Krankheiten angesteckt werden.   

In Zukunft sollte die Sömmerungspraxis ganzheitlicher angeschaut werden. Die Aufgabe einzelner Alpbetriebe darf kein Tabu sein. Dafür könnte der Bund die Tierhaltenden bei der Erstellung einzelbetrieblicher Schutzkonzepte finanziell unterstützen. «Schafsömmerung sollten wir vorrangig auf jenen Flächen und mit jenen Rassen gewährleisten, wo es aus ökologischer, landwirtschaftlicher und gesellschaftlicher Sicht am meisten Sinn macht», betont Wehrli. Wo und wie genau das gemacht wird, gilt es gemeinsam festzulegen.  

Kontakt: 

  • Sara Wehrli, Projektleiterin Jagdpolitik und Grosse Beutegreifer, @email, 061 317 92 08  
  • Marcel Liner, Projektleiter Landwirtschaftspolitik, @email, 061 317 92 40 
  • Nathalie Rutz, Medienverantwortliche, @email, 079 826 69 47