Glyphosateinsatz auf Feld Matthias Sorg
26.03.2024 Landwirtschaft

Revision der Pflanzenschutzmittelverordnung: Wird die Schweiz zum Sammelbecken der Problem-Pestizide?

Der Bund will die Pflanzenschutzmittelverordnung (PSMV) auf Druck einer Parlamentsmehrheit revidieren. Warum der nun vorgelegte Entwurf gefährlich ist.
  • Dieser beinhaltet keine Abschätzung der Risiken für Mensch und Natur, was ein solches Vorhaben mit potenziell weitreichenden Auswirkungen eigentlich zwingend vorschreiben würde.
  • Statt unser Trinkwasser genügend vor langlebigen Pestizid-Rückständen zu schützen, verkennt die Vorlage zudem die Gefahr, welche von hochgiftigen Pestiziden ausgeht.

Bei einer solch tiefgreifenden Revision der Pflanzenschutzmittelverordnung erwarten wir zwingend eine Regulierungsfolgenabschätzung (RFA), zu möglichen negativen Folgen auf die menschliche Gesundheit, die Trinkwasserressourcen, aber auch auf die gesamte Umwelt, wie es von den RFA Richtlinien des Bundes verlangt wird. Was sonst gang und gäbe ist, hat das BLV beim vorliegenden Entwurf verpasst. Dies muss zwingend nachgeliefert werden. Alles andere wäre verantwortungslos. Darum beantragen die Gesundheits-, Umwelt- und Trinkwasserverbände dem BLV eine Rückweisung der Vorlage und eine Neuauflage zusammen mit einer Risikofolgenabschätzung.

Gesundheits- und Umweltprüfung soll in der Schweiz abgeschafft werden

Heute muss ein Pestizid in der Schweiz eine Gesundheits- und Umweltprüfung bestehen, bevor es bewilligt werden darf. Umweltorganisationen kritisieren seit Jahren, dass namentlich die Umweltprüfung mangelhaft ist, weil etwa das Risiko für Amphibien (79% der Arten auf Roter Liste), Bestäuber-Insekten (ausser Honigbienen) oder aquatische Pilze (grundlegend für Gewässerökosystem) nicht geprüft wird. Ausserdem beklagen und belegen die öffentlichen Wasserversorgungen seit Jahren, dass die Trinkwasserressourcen ungenügend gegen langlebige Pestizidrückstände geschützt sind. So hätte eigentlich erwartet werden dürfen, dass diese Probleme mit der neuen PSMV angegangen werden. Weit gefehlt! Neu soll sogar die Gesundheits- und Umweltprüfung abgeschafft werden, indem Bewilligungs-Entscheide von EU-Staaten übernommen werden. Die Übernahme von Bewilligungen aus EU-Staaten ist eine Forderung der Agrarlobby und Agrochemie und hat eine Mehrheit im Parlament gefunden. Sie wird im Entwurf der neuen PSMV (Art. 45) „erleichterte Zulassung“ genannt und dürfte angewendet werden bei EU-Staaten, in denen “vergleichbare” agronomische, klimatische und umweltrelevante Bedingungen wie in der Schweiz herrschen. Was unter “vergleichbar” gemeint ist, wird im Verordnungsentwurf nicht präzisiert.  

Massiver Druck auf Zulassungsbehörde befürchtet

Pestizide, die intensiv und für lange Zeit gegen „Schädlinge“ wirken, töten auch am meisten Amphibien, Bestäuberinsekten oder Wasserorganismen und gefährden oft die Gesundheit der Menschen. Verkaufen lassen sich die Intensivsten aber am besten. Dies dürfte dazu führen, dass die Pestizidhändler vor allem die schädlichsten Pestizide aus EU-Länder in der Schweiz zur “erleichterten Zulassung” anmelden. Da in jedem EU-Land nur ein Teil der besonders umweltschädlichen Pestizide bewilligt ist, könnte die Schweiz mit der vereinfachten Zulassung zum Sammelbecken aller europäischen Problempestizide werden. Nur schon in den Nachbarländern der Schweiz sind derzeit 50 teils sehr problematische Wirkstoffe und hunderte von Pflanzenschutzmitteln mit Wirkstoffen zugelassen, die in der Schweiz bislang verboten sind. Die Gesundheits-, Umwelt- und Trinkwasserverbände befürchten einen massiven Druck auf die Zulassungsbehörde, solche Mittel in der Schweiz bei einer vereinfachten Zulassung zu bewilligen.

Medienkontakte:

  • Pro Natura: Marcel Liner, Leiter Landwirtschaftspolitik, Tel. 061 317 92 40, @email
  • WWF Schweiz: Jonas Schmid, Kommunikationsberater Biodiversität, Tel. 079 241 60 57, @email
  • Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU): Martin Forter, Geschäftsleiter, Tel. 061 691 55 83, @email
  • Trinkwasserverband AWBR: Roman Wiget, Tel. 079 260 74 97, @email
  • Trinkwasserverband IAWR: Wolfgang Deinlein, Tel. +49 721 599 32 02, @email
  • BirdLife Schweiz: Jonas Schälle, Projektleiter Landwirtschaft, Tel. 044 457 70 26, @email
  • Verein ohne Gift: Hans Mauerer, Jurist und Chemiker, @email  
  • Stiftung Future 3: Dominik Waser, Campaigner, Tel. 079 313 98 02, @email

Weiterführende Informationen

Info

Gemeinsame Medienmitteilung der Gesundheits-, Umwelt- und Trinkwasserverbände