Wolf: Mehr Schüsse trotz weniger Risse
Im Vergleich zum Vorjahr hat die Anzahl Nutztierrisse durch Wölfe zum dritten Mal in Folge abgenommen. In den beiden Kantonen mit den grössten Wolfsvorkommen, Graubünden und Wallis, gibt es dieses Jahr per Ende Oktober 15 Prozent weniger Risse als im Vorjahr zum selben Zeitpunkt und sogar 40 Prozent weniger Risse als per Ende Oktober 2022. Ende Oktober sind im Wallis 324 Nutztierrisse durch Wölfe zu verzeichnen. Das sind 10 Prozent weniger als im Vorjahr und sogar 20 Prozent weniger als 2022 per Ende Oktober. Auch im Kanton Graubünden haben die Risse per Ende Oktober von rund 450 (2022) auf 265 (2023) und 195 (dieses Jahr) abgenommen. Das ist ein Rückgang um über 50 Prozent gegenüber 2022. Im Kanton Glarus kam es sogar zu nur vier Rissen. Dieser Abwärtstrend zeigte sich bereits im Sommer 2023, also vor Beginn der hemmungslosen Abschüsse. Der Rückgang der Schäden – bei gleichzeitig steigendem Wolfsbestand – ist daher primär auf die Anstrengungen im Herdenschutz zurückzuführen.
Wolfsabschüsse ohne Faktenbezug
Im Kontrast zur Abnahme der Nutztierrisse steht die Entwicklung bei den laufenden Wolfsabschüssen. Die Tötung ganzer Wolfsfamilien soll gemäss Jagdgesetz als letztes, klar reglementiertes Mittel eingesetzt werden, wenn alle Alternativen – wie Herdenschutz, Vergrämung, Jungtier- oder Einzeltierabschüsse – versagen. Die Realität sieht anders aus: Heute wird in gewissen Kantonen jedes Rudel, das ein einziges geschütztes Nutztier gerissen hat, zur Tötung freigegeben. Bei insgesamt acht Rudeln hat das BAFU diesen Winter die vollständige Eliminierung genehmigt – darunter auch beim Nationalparkrudel. Den meisten anderen Wolfsrudeln sollen bis zu zwei Drittel ihrer Welpen weggeschossen werden. Die “Regulierung” nimmt Züge einer Schädlingsbekämpfung an.
Willkürliches Vorgehen
Bei der Umsetzung der Abschussverfügungen werden teils Vorgaben des BAFU zum Schutz der Jungtiere oder das Verbot von Abschüssen in Überschneidungsgebieten von Rudeln missachtet: So wurden im Kanton Wallis schon Anfang September erwachsene Wölfe aus den Rudeln Augstbord (VS) und Les Toules (VS) erlegt – und somit den abhängigen Welpen wohl ein Elterntier weggeschossen. Selbst in Fällen, in denen das BAFU seine Zustimmung für Wolfsabschüsse verweigert, gibt es offenbar Wege, es umzustimmen: Nachdem zwei von drei Anträgen des Kantons Wallis zum Abschuss ganzer Rudel abgelehnt worden waren, reichte ein Treffen des kantonalen Departementsvorstehers mit Bundesrat Rösti, um weitere Abschüsse bewilligt zu erhalten. Das zeigt, dass die Entscheide auf politischer und nicht mehr auf fachlicher Grundlage getroffen werden.
Dabei kann der Wolfsbestand auch verhältnismässig reguliert werden, wie die Beispiele aus den Kantonen Waadt und Tessin zeigen, wo Abschüsse weiterhin nur mit klarem Schadenbezug stattfinden.
Über 35’000 Stimmen für das Nationalparkrudel
Dass sich auch die Bevölkerung bei Eingriffen in den Wolfsbestand Augenmass wünscht, zeigt die Petition der Naturschutzorganisationen für den Erhalt des Nationalparkrudels. Innert 14 Tage haben über 35’000 Personen die Bündner Regierung dazu aufgerufen, auf die Tötung des Rudels zu verzichten und Alternativen zu finden. Die Petition wird heute im Beisein der Naturschutzorganisationen in Chur der Bündner Regierung übergeben.
Kontakt:
- Pro Natura: Sara Wehrli, Verantwortliche Grosse Beutegreifer und Jagdpolitik, Tel. 061 317 92 08, @email
- WWF Schweiz: Jonas Schmid, Mediensprecher Biodiversität, Tel. 079 241 60 57, @email
- BirdLife Schweiz: Raffael Ayé, Geschäftsführer, Tel. 076 308 66 84, @email
- Gruppe Wolf Schweiz: David Gerke, Geschäftsführer, Tel. 079 305 46 57, @email
Weiterführende Informationen
Info
Gemeinsame Medienmitteilung von Gruppe Wolf Schweiz, BirdLife Schweiz, WWF Schweiz und Pro Natura