Pilze auf Totholz Raphael Weber
12.03.2025 Boden

Ein verborgenes Universum

Wir treten sie tagtäglich mit Füssen und machen uns kaum einmal bewusst, dass unter der Erde eine eigene, zuweilen eigentümliche Welt existiert.

Die Zahlen beeindrucken: Zwei von drei bekannten Arten leben im Boden, in nur einem Gramm Erde tummeln sich 2000 bis 18 000 Arten, darunter mikroskopisch kleine Einzeller wie Bakterien oder Amöben, über etwas grössere wie Nematoden oder Tausendfüsser bis hin zu Tieren, welche die meisten von uns schon öfter gesehen haben wie Regenwürmer oder Schnecken. Kommen Sie mit auf eine Reise in eine ganz besondere Welt!

Bakterien und Archaeen — klein, aber oho

Die Anzahl an mikroskopisch kleinen Lebewesen im Boden ist riesig. Die grösste Gruppe bilden Bakterien und Archaeen.

In einem Gramm Erde können über 100 Millionen Bakterien leben. Sie spielen eine zentrale Rolle im Nährstoffkreislauf des Bodens. Sie zersetzen organisches Material und setzen dabei Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor und Schwefel frei, die für die Pflanzen unerlässlich sind.

Arachaeen ähneln Bakterien, weisen aber auch Merkmale höherer Organismen sowie ganz einzigartige Eigenschaften auf. So kommen sie in sehr extremen Lebensräumen vor – bis hin zu Geysiren. Sie sind unter anderem beteiligt an der Umwandlung von Ammonium in Nitrat.

Mikroskopische Aufnahme von Pyrococcus furiosus archaea Keystone
Pyrococcus furiosus archaea

Amöben — eine Zelle, viele Formen

Einzeller sind die kleinsten Bodenlebewesen, die sich vor allem in der feuchten Humusschicht finden. Zum Beispiel Amöben. Sie sind 0,005 bis 0,5 Millimeter winzig, haben eine wandelbare Gestalt und erbeuten Bakterien, Pilze, Algen oder organisches Material. Sie nehmen eine wichtige Rolle im Lebensraum Boden ein, indem sie den in der Beute gebundenen Stickstoff freisetzen und so Pflanzen mit Dünger versorgen. Zudem regulieren sie die Menge an Organismen im Boden. Zugleich sind sie sowie ihre Ausscheidungen Nahrung für andere Bodenorganismen.

Schalenamöben bauen sich als Schutz vor Räubern und schädlichen äusseren Einflüssen eine individuelle Schale aus mineralischen Partikeln, Kieselsäure und weiteren Materialien wie den Überresten von Kieselalgen. Aus einer Öffnung treten die «Scheinfüsschen» aus, um Nahrung zu fangen.

Wir zeigen exemplarisch drei der über 100 Amöbenarten, die in Torfmooren vorkommen:

Die Milbe — die Laubzersetzerin

Milben gehören zu den Spinnentieren und haben acht Beine. Sie sind zwischen 0,1 und 0,7 Millimeter klein und haben unterschiedliche Formen. Je tiefer unten sie leben, desto kleiner und flacher sind sie. 

Es gibt Raub- und Hornmilben. Die kleineren Hornmilben (Foto) ernähren sich von Laub, Aas, Pilzen oder Algen und spielen damit für die Umwandlung von organischem Material 
in Humus eine wichtige Rolle. Durch ihre Ausscheidungen werden zudem Nährstoffe im Boden verteilt. Besonders wichtig sind Hornmilben im Wald, da sie besonders effiziente Laubzersetzerinnen sind. 

Die gepanzerten Raubmilben fressen Fadenwürmer, Springschwänze und andere Milben. Raubmilben gibt es nur in Böden, in denen sie genügend Nahrung finden, somit sind sie ein guter Indikator für ein reiches Bodenleben – in verdichteten oder mit Pestiziden belasteten Böden treten sie deutlich seltener auf.

Aufnahme einer Hornmilbe Hakan Soderholm
Eine Hornmilbe

Fadenwürmer — kleine Beutegreifer unter der Erde

Fadenwürmer (Nematoden) sind weissliche Rundwürmer mit einem langgestreckten Körper von rund 50 Mikrometer Durchmesser und einer Länge von 1 bis 50 Millimeter. Sie kommen im Boden mit bis zu 1000 Tieren pro Gramm sehr häufig vor. Einige ernähren sich von Pflanzen und Algen, andere bevorzugen Bakterien und Pilze, manche jagen Einzeller oder andere Fadenwürmer. Vor allem bakterien- und pilzfressende Nematoden spielen eine wichtige Rolle im Nährstoffkreislauf, da sie Stickstoff freisetzen.

Im Gartenbau und in der Landwirtschaft kommen gezüchtete Fadenwürmer, die ausschliesslich Insekten oder Schnecken parasitieren, gezielt im biologischen Pflanzenschutz zum Einsatz.

Aufnahme eines Fadenwurmes Andy Murray

Pilz und Baum — eine unterirdische  Lebensgemeinschaft

Von Pilzen sehen wir in der Regel nur den oberirdischen Teil, den Fruchtkörper. Der grösste Teil der Pilze lebt meist unsichtbar unter der Erde, wo ihre Fäden ein riesiges Geflecht bilden. Manche Pilze vernetzen sich so mit Pflanzen. Diese «Mykorrhizapilze» leben in symbiotischer Gemeinschaft mit den Wurzeln von Bäumen. Das hilft beiden: Während der Baum dem Pilz Nahrung in Form von Zucker liefert, führen die Pilzfäden den Baumwurzeln Wasser und darin gelöste Nährstoffe zu.

Regenwürmer — umtriebige Tunnelbauer

Ohne Regenwürmer geht im Boden gar nichts. In einem durchschnittlich besiedelten Boden produzieren rund eine Million dieser Tiere bis zu 100 Tonnen Wurmkot pro Hektar und Jahr. Dieser Humus enthält bis zu fünfmal mehr Stickstoff, siebenmal mehr Phosphor und elfmal mehr Kalium als die umgebende Erde. Damit tragen Regenwürmer entscheidend zur Nährstoffversorgung von Pflanzen bei. Als umtriebige Tunnelbauer belüften sie zudem den Boden, erhöhen seine Wasseraufnahmefähigkeit und erleichtern das Wurzelwachstum.

Tausendfüsser — die Bodenbelüfter

Doppelfüsser und Hundertfüsser gehören zu den Tausendfüssern. Doppelfüsser (Diplopoda) verstecken sich unter Laub oder im Boden, wo sie eine wichtige Rolle spielen: Sie fressen Laub und wandeln es in ihrem Verdauungstrakt zu Humus um. Ihr Kot sorgt für eine bessere Bodenstruktur und nährt andere Bodenlebewesen.

Hundertfüsser (Chilopoda) sind Räuber, die es auf Springschwänze, Regenwürmer und andere kleine Tiere abgesehen haben. Die Art, wie sie sich in den Boden graben, ähnelt der von Regenwürmern, was sie zu guten Bodenbelüftern macht.

BETTINA EPPER, Co-Chefredaktorin Pro Natura Magazin

Weiterführende Informationen

Info

Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.

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