Wir müssen die Klimakrise in der Schweiz jetzt angehen
Seit Jahrzehnten wachsen wir auf Kosten der Umwelt und zukünftiger Generationen. Wir steigern die Nahrungsmittelproduktion, verschmutzen die Umwelt massiv und beuten natürliche Ressourcen über ihre Kapazität aus. Die Erde hält diesem Druck nicht mehr stand. Die Wissenschaft ist sich einig: Aktuell steigen die Temperaturen auf der Erde rasend schnell. Eine Anpassung der Ökosysteme auf natürliche Art und Weise ist daher schwierig und vielfach gar unmöglich. Wir müssen die Klimakrise ernst nehmen und Lösungen wesentlich rascher umsetzen. Auch in der Schweiz. Pro Natura fordert rasche, wirksame Massnahmen im Klimaschutz und den Ausstieg aus den fossilen und atomaren Energieträgern.
Wie schlimm ist die Klimakrise in der Schweiz?
Seit Beginn der Klimamessungen (1864) ist die Durchschnittstemperatur in der Schweiz um ca. 2 Grad gestiegen. Das ist doppelt so viel wie im globalen Mittel (rund 1 Grad) und zeigt, dass die Schweiz von der Klimakrise besonders betroffen ist. Beide Zahlen scheinen klein, sie haben aber drastische Folgen.
Beispiele für Folgen der Klimakrise in der Schweiz:
- Fische sind in Atemnot, weil der Sauerstoffgehalt im wärmeren Wasser abnimmt.
- Bäume sind geschwächt oder sterben, weil ihnen das Wasser fehlt. Geschwächte Bäume stürzen bei Stürmen oder kräftigem Wind eher und blockieren Strassen oder Bahnlinien, ganze Ökosysteme degenerieren.
- Alpine Arten, wie das Schneehuhn, verlieren Lebensraum und müssen, wo es geht, weiter in die Höhe flüchten. Bis es bald auch dort zu warm wird.
- Weil sich die Hitzesommer häufen, werden unsere Lieblingsbadeplätze zukünftig vermehrt wegen einer hohen Konzentration an Blaualgen oder einer ausgebreiteten Entenflohpopulation gesperrt sein.
- Der stabilisierende Permafrost in den Alpen taut auf, die Erosion nimmt stark zu.
Intakte Biodiversität vermindert die Klimakrise
Es ist essenziell, dass wir die Klimakrise und die Biodiversitätskrise nicht gegeneinander ausspielen. Die beiden Krisen müssen gemeinsam gelöst werden. Denn eine intakte Biodiversität unterstützt die Bewältigung der Klimakrise. Zum Beispiel können natürliche, regenerierte Lebensräume grosse Mengen an CO2 speichern. In der Schweiz gibt es folgende nennenswerte Reservoire:
- Matthias Sorg
Indem diese belebten Schichten der Erde CO2 zurückhalten, befindet sich weniger in der Atmosphäre. Schutzwälder, Flussrevitalisierungen oder Moorvernässungen reduzieren zudem die Folgen von Dürren, Stürmen und Überschwemmungen. Auch in Städten gibt es Möglichkeiten zur Verbesserung der Biodiversität. Grünflächen tragen zu angenehmen Temperaturen bei und Wasserflächen zur Regulierung des Wasserhaushalts.
Für viele Arten wird unser Land zu warm. Lebensräume verschwinden. Pflanzen- und Tierarten sterben aus.
Wie kommen wir aus der Klimakrise?
Die Schweiz hat sich 2015 international auf das Netto-Null-Ziel des Pariser Klimaabkommens verpflichtet. Trotzdem ging es in den letzten Jahren schleppend voran. Am 18. Juni 2023 sagte die Stimmbevölkerung: Ja zum Klimagesetz! Die Schweiz hat nun endlich die rechtlichen Instrumente, das Netto-Null-Ziel zu erreichen.
Doch Klimaschutz muss gemeinsam mit allen Staaten der Welt gelingen. Solidarisch und fair. Die grössten Anstrengungen müssen dabei gerechterweise vor allem von den reichen, konsumstarken Industrieländern unternommen werden. Denn diese haben bislang am allermeisten zur Klimakrise beigetragen. Massnahmen dürfen nicht zu Lasten jener südlichen Länder gehen, die wenig zur Klimakrise beigetragen haben, aber vielfach am meisten darunter leiden. Gerade eben ist die Klimakonferenz (COP28) in Dubai zu Ende gegangen. Auch wenn keine verbindlicher Pfad zum globalen Ausstieg aus fossilen Energien beschlossen wurde, bekennt sich die Staatengemeinschaft mindestens zum schrittweisen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas bis 2050. Die Schweiz ist jedoch nicht auf Kurs, um diese Ziele zu erreichen und muss dringend nachbessern.
Wir können die Klimakrise nicht lösen, indem wir unsere Emissionen lediglich kompensieren. Wir müssen die Emissionen hier und jetzt reduzieren, das ist von zentraler Bedeutung. Kompensationsprojekte sind vielfach ungenügend, was die tatsächliche Kompensation betrifft. So wird mitunter die Nicht-Zerstörung von Waldflächen als Kompensationsmassnahmen akzeptiert. Eine Tonne CO2, die über solche Mechanismen kompensiert werden soll, wir damit nicht aus der Atmosphäre entfernt. Auch Aufforstungsprojekte oder die Bindung von CO2 in Böden klingen gut, aber ob und wie langfristig damit CO2 der Atmosphäre entzogen wird, hängt davon ab, wie lange die Projekte laufen. Zum Beispiel kann sich die Landbearbeitung ändern oder Teile des aufgeforsteten Waldes werden in einigen Jahrzehnten dann doch wieder genutzt.
Gleichzeitig ermutigt der Ablasshandel dazu, weiterhin viel zu viel Treibhausgase auszustossen. Die günstige «Kompensation» verhindert, dass an der Quelle, also beim CO2-Ausstoss, nötige Massnahmen für eine CO2-Reduktion getroffen werden.
Die Jagd nach Kohlenstoff-Einhörnern: Die Täuschung der Kohlenstoffmärkte und Net Zero (Friends of the Earth, 2021).
Auf die Verpflichtung des Pariser Klimaabkommens müssen jetzt Taten folgen. Wie gelingt eine naturverträgliche Energiewende?
Was macht Pro Natura gegen die Klimakrise?
In verschiedenen Projekten aus dem praktischen Naturschutz fördern wir die Biodiversität, damit die Schweiz und insbesondere unsere Natur der Klimakrise standhalten kann: Unsere Projekte
Im Rahmen der Klimaallianz und ihrer internationalen Tätigkeit setzt sich Pro Natura für eine wirksame, ökologische Klima- und Energiepolitik ein.
Pro Natura engagiert sich an den Konferenzen der Klimarahmenkonvention gemeinsam mit Friends of the Earth International und der Climate, Land, Rights Alliance CLARA für ambitionierte Ziele im Einklang mit der Natur und für eine gerechte Lastenaufteilung.
Ihre Fragen, unsere Antworten:
Von der Sonne gelangen kurzwellige Strahlen Richtung Erde. Ein Teil der kurzwelligen Sonnenstrahlung durchdringt die Atmosphäre, wird von der Erdoberfläche aufgenommen und dann als langwellige Strahlung wieder abgegeben. Auf ihrem Weg zurück zur Sonne treffen sie auf Treibhausgase wie Kohlendioxid oder Methan. Treibhausgase verhindern, dass die langwellige Strahlung die Atmosphäre verlassen können. Daher bleibt ein Grossteil der Strahlung in der Atmosphäre. Dadurch werden die unteren Schichten der Atmosphäre und die Erdoberfläche erwärmt. Grundsätzlich ist der Treibhauseffekt also etwas Natürliches; ohne ihn wäre es deutlich kühler und ein Leben auf der Erdoberfläche nicht möglich. Die momentan überdurchschnittlichen Mengen an Treibhausgasen führt jedoch zu einer zu starken und zu schnellen Erwärmung.
Das Pariser Abkommen ist die erste weltweite Vereinbarung im Namen des Klimaschutzes.
An der Weltklimakonferenz in Paris (2015) einigten sich fast alle Staaten der Welt darauf, langfristig die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen globalen Durchschnittstemperatur zu begrenzen. Das Pariser Abkommen beruht auf Selbstverpflichtung und ist daher rechtlich nicht bindend. Alle Staaten sind dazu aufgefordert, eigene rechtliche Rahmen für die Klimaziele zu schaffen. Das Pariser Abkommen ist seit dem 4. November 2016 in Kraft. Seit 2020 haben einige Staaten klare Ziele formuliert und eingereicht, sogenannte NDCs (Nationally Determined Contributions). Die Schweiz hat sich in ihren NDCs dazu verpflichtet, ihre Emissionen bis 2030 gegenüber 1990, um mindestens 50 Prozent zu reduzieren.
Überschreiten wir das 2°C-Ziel, steigt die Chance, dass wir gewisse Schwellenwerte überschreiten, stark an. Sind diese Werte einmal überschritten, können sich Teile des Klimasystems abrupt und irreversibel ändern. Beispiele sind sich ändernde Ozeanströmungen oder das Schmelzen der grönländischen Eisschichten. Beides hätte massive Konsequenzen für die Menschen und die Natur in Europa und global. Nur wenn wir die weltweite Erwärmung auf weniger als 2°C begrenzen, können wir die negativsten Folgen der Klimakrise vermeiden und den Klimawandel auf ein Mass beschränken, das voraussichtlich noch erträglich bleibt.
die Gründe für Klimaänderungen in der Vergangenheit sind bekannt. Diese sind beispielsweise auf Veränderungen der Erdumlaufbahn oder der Sonnenaktivität zurückzuführen. Rund 97% der wissenschaftlichen Forschung ist sich einig, dass der Mensch die Hauptverantwortung für die momentane Veränderung des Weltklimas trägt. Problematisch ist nicht, dass sich das Klima auch mal verändert. Ein über alle Zeiten bestehendes fixes Klima gibt es nicht. Hochgradig problematisch ist die Geschwindigkeit der Veränderung. Mensch, Tier und Umwelt fehlt so die nötige Zeit, um sich anzupassen. Zum Beispiel: Die Infrastruktur und die Nahrungsmittelproduktion richten sich nach dem Klima der letzten 10 000 Jahren. Anpassungen an die steigenden Temperaturen in der Atmosphäre und den daraus resultierenden Auswirkungen können sehr aufwendig und teilweise gar unmöglich sein. Das bedeutet: Klimaschutz schützt letztlich nicht das Klima, sondern sichert das Überleben von Mensch und Natur.