Panzersperren: von der Barrikade zum ökologisch wertvollen Korridor
Im intensiv genutzten Kulturland im Mittelland sind natürliche Lebensräume für viele gefährdete, aber auch für noch häufige Arten selten geworden. Wie kleine Inseln verteilen sich Stillgewässer, Kleingehölze, Einzelbäume, Reste von Mooren und Trockenstandorten in der oftmals ausgeräumten Landschaft. Für das Überleben zahlreicher Arten ist nicht nur der Erhalt und die Neuschaffung solcher Lebensräume wichtig, sondern auch deren Vernetzung untereinander.
Vernetzung erfolgt durch lineare, naturnah gestaltete Flächen und regelmässig verteilten Trittsteinen. Bekannte Vernetzungsstrukturen bilden Fliessgewässer und Hecken. Doch auch entlang von bestehenden Infrastrukturen, wie Strassen- und Bahnböschungen, kann die Mobilität bestimmter Arten gefördert werden.
Aus der Blockade wird eine Verbindung
Panzersperren sind ursprünglich als Barriere errichtete Strukturen. Sie bestehen aus ein- bis mehrreihigen Betonhöckern, Gräben oder hohen Mauern, die sich quer durch Talsenken ziehen oder weite Strecken zwischen natürlichen Hindernissen verbinden. Dazu gehört jeweils ein Streifen Land. In manchen Landschaften bilden solche oft zugewachsenen Sperren die einzigen linearen Strukturen. Ökologisch aufgewertet entstehen daraus wertvolle Leitstrukturen für die Vernetzung und Trittsteinlebensräume für spezifische Arten. In den Panzersperren finden sie Verstecke und Nahrung.
Pro Natura hat 300 Objekte auf ihr Potential für die Vernetzung geprüft und gut ein Dutzend ausgediente Panzersperren gekauft. Einige davon bilden bereits heute wichtige und wertvolle Vernetzungsstrukturen, andere werden wir zuerst ökologisch aufwerten:
- Wir analysieren pro Objekt die vorhandenen Lebensräume, bestehende Inventare, Arten und Hindernisse.
- Wir beurteilen die aktuelle Nutzung und definieren Ziele und Zielarten.
- Darauf aufbauend legen wir Aufwertungsmassnahmen fest und organisieren den langfristigen Unterhalt.
So entstehen in den nächsten Jahren in vier Kantonen neue Lebensräume und Vernetzungsstrukturen für Kleinsäuger, Insekten und Amphibien.
Frick AG: deckungsreiche Wanderachse für das Hermelin
Die Ausgangslage: Die Panzersperre nördlich von Frick besteht aus mehrreihigen Toblerronen und verjüngt sich ostwärts zu einer hohen Betonmauer. Der westliche Teil umfasst einen rund 12 m breiten Streifen. Die Fläche war beim Kauf stark bestockt, artenarm und abschnittsweise geprägt von nicht heimischen Arten, Brombeerdickicht und altem Gartenmüll.
Das Ziel: Mit der Aufwertung soll der Lebensraum und die Vernetzung insbesondere für Kleinsäuger verbessert werden.
Folgende Massnahmen wurden umgesetzt:
- Die Hecke stark durchforstet
- Nicht heimische Arten und Nadelgehölz entfernt
- Einen artenreichen Saum neu angelegt
- Neue Kleinstrukturen wie Asthaufen, Steinlinsen und Kleinstgewässer erstellt
- Sperrgut fachgerecht entsorgt
Jetzt bietet die Panzersperre Hermelin und Co. viele Versteckmöglichkeiten, deckungsreiche Wanderachsen und Nischen für die Jungenaufzucht in unmittelbarer Nähe zu ihren Jagdgebieten im Offenland.
Projektstatus: umgesetzt
- CreaNatira
Oberbaselbiet BL: Wertvolle Lebensräume vernetzen
Die Ausgangslage: Im Oberbaselbiet schliesst eine Panzersperre aus einer langgestreckten Mauer den ganzen Talkessel ab. Sie verläuft durch strukturreiches Kulturland und setzt sich aus diversen Lebensraumtypen wie Weiher, Sumpfstellen, Hochstauden- und Brombeerfluren, unterschiedliche Hecken sowie teilweise brachgefallene Wiesen zusammen.
Das Ziel: Mit der Aufwertung soll die Funktion als Verbindungskorridor gestärkt und der Landlebensraum sowie die Vernetzung der Geburtshelferkröte verbessert werden. Als weitere Zielarten wurden der Neuntöter, das Wiesel, sowie die Zauneidechse definiert.
Folgende Massnahmen wurden umgesetzt:
- temporär wasserführende Tümpel gebaut
- neue Wildhecke angelegt
- Kleinstrukturen wie Stein- und Asthaufen erstellt
- Zäune und Metallstrukturen auf der Mauer entfernt
- Marode Hütten und Unterstände abgebrochen und entsorgt
- Pflege durch Landwirte geregelt
Die Massnahmen wurden im Herbst 2020 umgesetzt. Die Erfolgskontrollen stehen noch aus. Sie werden zeigen, ob die Ziele erreicht wurden.
Projektstatus: umgesetzt
- Pro Natura
Gruyère FR: Ein wichtiger nationaler Wildtierkorridor
Die Ausgangslage: Die Panzersperre südlich von Gruyère besteht aus einer Betonmauer und einem breiten Graben. Sie erstreckt sich vom bewaldeten Hang auf der linken Talseite, quert Bahnlinie und stark befahrene Kantonsstrasse sowie die Saane, bevor sie auf der rechten Talseite in den ebenfalls bewaldeten Hang hinaufführt. Genau an jenem Ort befindet sich ein überregionaler Wildtierkorridor.
Das Problem: Dem Wildtierkorridor fehlen Leitstrukturen und die starke Nutzung der Kantonsstrasse führt an dieser Stelle immer wieder zu Wildunfällen.
Die Lösungsmassnahmen:
- Aktuell plant der Kanton hier die Vernetzung für die Grossfauna mithilfe des Baus einer Wildbrücke über die Kantonsstrasse zu verbessern.
- Auf dem Land von Pro Natura soll ein Teil der Mauer besser passierbar sowie ein bestehender, eingedolter Bach geöffnet und umgeleitet werden.
- Pro Natura ergänzt mit dem Anlegen neuer Tümpel und Kleinstrukturen sowie dem Pflanzen von Hecken diese neuen Leitstrukturen. Damit werden auch kleinere Arten wie Feldhase, Igel, Iltis und Zauneidechsen von einer besseren Vernetzung profitieren.
Projektstatus: in Umsetzung
- Pro Natura
Cudrefin VD: Strukturen in ausgeräumter Landschaft
Die Ausgangslage: Die Panzersperre in Cudrefin (VD) ist Teil eines grösseren Objektes, das vom Neuenburgersee bis zum Murtensee reicht. Das Teilstück besteht aus einem von hohen Mauern eingefassten Graben, mehrreihigen Betonhöckern und einer einfachen Mauer und verläuft durch intensiv genutztes Kulturland.
Die Ziele: Bei dieser Panzersperre werden die Ziele und Massnahmen für die Aufwertung zurzeit bestimmt. Das Potenzial für die Aufwertung ist gross, allerdings müssen dabei einige Herausforderungen berücksichtigt werden: stark befahrene Strassen, welche die Panzersperre zerschneiden sowie die teilweise hohen Mauern, die einen Zugang zum Korridor behindern. Pro Natura nimmt sich der Herausforderung an und ist überzeugt, mit passenden Massnahmen auch bei einer solchen Ausgangslage einen Mehrwert für bestimmte Arten schaffen zu können.
Projektstatus: in Planung
- Matthias Sorg
Weiterführende Informationen
Info
Finanziell unterstützt wird das Projekt von der Stiftung Yvonne Jacob, der Stiftung Bruno und Gisèle Maestri-Flück für Naturschutz sowie dem Bundesamt für Umwelt Bafu.
Kontakt
Projektleiterin: Andrea Haslinger
@email