Was ist ein Ernährungssystem?
Das Ernährungssystem umfasst alles, was mit der Lebensmittelproduktion zusammenhängt: vom Saatgut über Futtermittelproduktion, über den Anbau, der Ernte und Transport der Produkte bis hin zu den Essensresten auf unseren Tellern. Ein nachhaltiges Ernährungssystem funktioniert ressourcenschonend, ist krisenfest und gerecht.
Schlüsselfaktor Landwirtschaft
Ohne dass wir unser Ernährungssystem umstellen, können wir die globale Umweltbelastung nicht reduzieren:
- Unser Hunger nach tierischen Eiweissen (Milch, Fleisch, Eier) führt zu einer überdimensionierten Nutztierhaltung und damit zu erhöhten Nährstoffeinträgen und Nährstoffüberschüssen. So entsteht unter anderem das umweltschädliche Ammoniakgas.
- Im Kampf gegen nicht erwünschte Pflanzen und Tiere werden Pestizide gespritzt, welche die Bodenlebewesen, unsere Gewässer und Böden belasten.
- Viel zu schwere Traktoren verdichten unsere Böden und machen sie für künftige Generationen schwer nutzbar. Das Wasser versickert weniger. Dies führt bei starkem Regen schneller zu Überschwemmungen und/oder Abschwemmungen des Bodens.
- Die intensive Bewirtschaftung zerstört die Biodiversität und treibt das Artensterben voran.
- Vermeidbare Lebensmittelabfälle und Lebensmittelverschwendung (Food-Waste) verursachen laut Bundesrat 25% der Umweltbelastung der Schweizer Ernährung.
- Dünger, Pestizide, Dieselruss und Mikroplastik werden durch Regen und Wind in Wälder und Moore transportiert. Die Schadstoffe sickern in unser Grundwasser und landen schlussendlich auch im Trinkwasser und auf unseren Tellern.
Um den dringend notwendigen Wandel zu einem nachhaltigen Ernährungssystem voranzutreiben, sieht Pro Natura in verschiedenen Bereichen Handlungsbedarf:
- Oft verhindern wirtschaftliche Interessen konkrete ökologische Verbesserungen. Denn mit dem Verkauf von noch mehr Dünger, Pestizide, Maschinen wird viel Geld verdient.
- Ein weiteres Problem ist die einseitige, staatlich mitfinanzierte Werbung von Lobbygruppen aus Fleisch- und Milchbranche.
- Auch Subventionen, die der Biodiversität schaden, stehen dem Prinzip einer ökologisch nachhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft entgegen.
Mehr zu den biodiversitätsschädigenden Subventionen finden Sie in diesem Grundlagenbericht der WSL
Die Lösungen sind da
Wir wissen, dass die Biodiversität der Grundstein für eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft ist. Nur mit Biodiversitätsförderung auf den Feldern, weniger Dünger und Pestizide und angepassten Maschinen bleiben unsere Böden fruchtbar. Studien zeigen zudem, dass vielfältige Landwirtschaftsformen wie Agroforst langfristig produktiver sind.
Pro Natura unterstützt die Lösungsvorschläge des wissenschaftlichen Gremiums Ernährungszukunft Schweiz. Über vierzig Forscherinnen und Forscher haben gemeinsam einen praxistauglichen, sozialverträglichen und biodiversitätsfreundlichen Handlungspfad für die Transformation des Ernährungssystem entwickelt.
Das macht Pro Natura
Pro Natura engagiert sich auf verschiedenen Ebenen für einen Wandel zu einer ökologischen Landwirtschaft. Mit unserer Studie «Generationenwechsel» zeigen wir, wie die Transformation der Landwirtschaft ohne negative soziale Folgen für die Bäuerinnen und Bauern sowie für die angegliederte Industrie umgesetzt werden kann.
Zum Projekt «Generationenwechsel»
Wir setzen aber auch Projekte im praktischen Naturschutz um. Zum Beispiel:
Wir engagieren uns mit der Biodiversitätsinitiative direkt für mehr Biodiversität in der Schweiz: zur Initiative
Wir beteiligen uns in verschiedenen Organisationen für einen Wandel in der Landwirtschaft:
- Pro Natura ist Mitglied bei der Agrarallianz
- Pro Natura ist Mitglied in der Plattform Biodiversität in der Landwirtschaft, koordiniert vom Bundesamt für Landwirtschaft BLW und Bundesamt für Umwelt BAFU.
- Pro Natura ist Trägerorganisation der Schweizer Allianz Gentechfrei
- Pro Natura ist Mitglied und Mitbegründerin des Labels “Hochstamm Suisse”
Unsere Haltung und unser Engagement im Bereich Landwirtschaft und Ernährung
Unsere Kritik richtet sich nicht gegen die Arbeit der Landwirtinnen und Landwirte. Sie richtet sich gegen die Agrarlobby, welche seit 20 Jahren den Wandel zu einer ökologischen Landwirtschaft behindert. Zuletzt zum Beispiel in der Agrarpolitik 2022+ (AP 22+): Die Agrarpolitik wurde 2021 zuerst auf Druck der Agrarlobby sistiert. Anschliessend wurde mit ihrer politischen Beratung jeder Fortschritt von einer Mehrheit im Parlament abgelehnt. So verzögert sich nun die Gesetzgebung für einen dringend notwendigen ökologischen Fortschritt noch weiter.
Jegliche Reduktion von Tierbeständen, Kraftfutter oder Pestiziden gefährdet das Geschäftsmodell der Agrarindustrie und deren Lobbyorganisationen. Sie setzen deshalb alles daran, die von den Bundesämtern vorgeschlagenen Absenkpfade für Nährstoffe und Pestizide abzuschwächen. Pro Natura ist Mitglied der Agrarallianz und engagiert sich zusammen mit weiteren Verbänden für eine ökologische Landwirtschaft.
Landwirtinnen und Landwirte pflegen sogenannte Biodiversitätsförderflächen (BFF). Auf und mit diesen Flächen soll die pflanzliche und tierische Vielfalt gefördert werden. Dies ist wichtig, da heute mindestens 40 % der in der Schweiz vorkommenden Tier- und Pflanzenarten gefährdet sind und die gefährdesten Arten in mageren Wiesen und Weiden sowie in Auen und Mooren leben. Diese Flächen könnten bei richtiger Pflege und Lage zu einem vielfältigen Ökosystem beitragen. Ihre wichtigsten Funktionen sind:
- Artenvielfalt erhöhen und Lebensräume der Natur vernetzen
- Trinkwasser reinigen
- Bodenfruchtbarkeit erhalten
- Bestäubung sicherstellen und Schädlingspopulationen regulieren
19 % der gesamten Landwirtschaftsfläche sind Biodiversitätsförderflächen. Dies scheint auf den ersten Blick viel zu sein. Aber: auf rund 90 % dieser Flächen findet nebst der Arten- und Lebensraumförderung nach wie vor eine landwirtschaftliche Produktion statt. Dies verringert die Qualität der Flächen. Zudem befindet sich ein Grossteil dieser Flächen im Berggebiet und nicht im viel intensiver genutzten Tal- und Hügelgebiet, wo der Raum für Biodiversität knapp ist.
Manche Biodiversitätsförderflächen sind explizit auf eine Nutzung, wie eine Beweidung oder Mahd, angewiesen. Andere Flächen hingegen sollen nach ihrer Anlage ungestört der Naturentwicklung dienen. Und dieser Anteil ist heute zu klein.
Reduzieren Massnahmen zur Biodiversitätsförderung unseren Selbstversorgungsgrad? Nein. Wir wissen, dass die Biodiversität der Grundstein für eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft ist. Nur mit Biodiversitätsförderung bleiben unsere Böden fruchtbar. Heutzutage ist auch klar, dass vielfältige Agrarökosysteme längerfristig produktiver sind.
Es gibt ökologische Wege den Selbstversorgungsgrad zu erhöhen:
- Essen für direkte Ernährung statt Tierfutter anpflanzen: Nur 39 % des Ackerlandes wird zur Nahrungsmittelproduktion verwendet. Die restliche Fläche dient der Futterproduktion. Futtergetreide und Mais gelangen nur über die Verfütterung an Tiere zu uns. Dies ist ein sehr ineffizienter Umweg.
- Lebensmittelverschwendung vermeiden: Nach wie vor schaffen 30% der Lebensmittel nicht den Weg in unsere Bäuche.
- Die Bestimmungen für den Verkauf in Bezug auf Form, Grösse, Farbe müssen gelockert werden.
- Die Bevölkerung muss weiter auf das Thema Lebensmittelverschwendung sensibilisiert werden.
- Die Vorgaben für den Handel müssen angepasst werden
Es muss eine Transformation des gesamten Ernährungssystems stattfinden. Konsumierende müssen abgeholt und auf eine ausgewogene pflanzliche Ernährung sensibilisiert werden. Die subventionierte Fleischproduktion steht dem entgegen und muss abgeschafft werden.
Seit Jahrtausenden züchten Bäuerinnen und Bauern standortgerechte Sorten. Dabei setzt die Natur Grenzen. Mit der Gentechnologie kann der Mensch diese Grenzen überwinden, tief in das Genom eingreifen und Eigenschaften einer Art auf andere Arten übertragen. Für Pro Natura ist klar, die Gentechnologie bietet keine tauglichen Antworten auf die aktuellen Krisen. Im Gegenteil – sie ist eine weitere Gefahr für die Biodiversität und fördert die hoch-industrielle Landwirtschaft. Gentechnik fördert zwei Problematiken:
- Sie führt zu einer weiteren Monopolisierung im Saatgutmarkt. Landwirtinnen und Landwirte werden noch mehr von grossen Agrarkonzernen abhängig.
- Sie führt zu noch mehr Dünger- und Pestizideinsätzen und setzen somit der Biodiversitätskrise zu.
Gegenwärtig wird verstärkt über die kommerzielle Nutzung von neuen gentechnischen Verfahren bei der Züchtung von Pflanzen und Tieren diskutiert. Dabei handelt es sich um verschiedene Verfahren, wie beispielsweise die ZFN-, TALEN- oder CRISPR/Cas9-Technik, bei denen Gen-Scheren zum Einsatz kommen oder direkte Eingriffe in die Genregulierung vorgenommen werden. Pro Natura fordert eine Regulierung dieser neuen gentechnischen Verfahren im Rahmen des Gentechnikgesetzes.
Pro Natura ist Trägerorganisation der Schweizer Allianz Gentechfrei.
Zur Website der Schweizer Allianz Gentechfrei SAG.
Unsere Projekte in der Landwirtschaft
Nessun Progetto è stato trovato per il termine di ricerca utilizzato
Weitere Informationen für Sie
Sind Sie an dem Thema interessiert? Gerne empfehlen wir folgende Podcasts für weiterführende Informationen:
- «FiBL Focus», Forschungsinstitut für biologischen Landbau: Folge 29, Was Landwirtschaft mit Biodiversität zu tun hat und Folge 5, Is(s)t Bio, die Lösung?
- «Hörkombinat: Politik»: Folgen 21 und 22, Die Krise der biologischen Vielfalt – Agrarökologie als Chance
- «45 Minuten Zukunft», Thünen Institut