«Wir gelten als ausländische Spione»
Als Gründer und Präsident der NGO Friends of the Siberian Forests kämpft der Biologe Andrey Laletin (links) aus Krasnojarsk gegen die Zerstörung der sibirischen Urwälder. Als Co-Vorsitzender von Friends of the Earth Russia und Mitglied der Global Forest Coalition ist Laletin international bestens vernetzt.
Pro Natura: Wie viele Tiger leben noch in den sibirischen Wäldern?
Andrey Laletin: In den Regionen Primorski und Khabarovsk im Osten Russlands leben noch 450 sibirische Tiger. Die stark gefährdete Spezies wird bedroht von Wilderern, die Pelz und Knochen nach China verkaufen. Wegen Abholzung und Bergbau schrumpft der Lebensraum für Tiger stetig. Seit über 30 Jahren kämpfen Sie für die sibirischen Wälder.
Wie gehen Sie vor?
Mit Freunden habe ich 1992 die Nichtregierungsorganisation «Friends of the Siberian Forests» (Freunde der sibirischen Wälder) gegründet. Wenn wir von illegalen Abholzungen erfahren, fahren wir hin und versuchen die Zerstörung zu stoppen – sehr oft kommen wir zu spät.
Was verleiht Ihnen die Energie für den Naturschutz?
Ich liebe die Wälder sehr, habe als Biologe in Forstökologie promoviert. Während des Studiums betrieb ich mit Freunden eine Umweltgruppe: In der Freizeit haben wir in den Wäldern Fichten und Blumen untersucht und katalogisiert. Zu sehen, wie die Wälder und die Biodiversität verschwinden, macht mich sehr betroffen. Ich will die Wälder auch für meine drei Söhne und vier Enkel schützen. Ich lehre sie, auf den Wald zu hören und ihn zu verstehen.
In Russland leben Umweltaktivisten wohl gefährlich ...
Das stimmt. Nichtregierungsorganisationen (NGO) sind nicht anerkannt. Weil wir Geld aus dem Ausland erhalten, gelten wir für die Behörden als «ausländische Spione»; mehrmals mussten wir deswegen Bussen bezahlen. Die Forstwirtschaft wird von Kriminellen beherrscht: Illegal gerodetes Holz geht vor allem nach China, wo es «legalisiert» wird, bevor die Holzprodukte auf den europäischen und amerikanischen Markt kommen.
Wurden Sie auch schon bedroht?
Ja, mehrmals. Man wollte uns zwingen, den Kampf gegen illegale Abholzungen einzustellen. Einige der Kriminellen sind inzwischen im Gefängnis.
Schätzt die lokale Bevölkerung Ihre Arbeit?
Einige lokale Aktivisten unterstützen uns. Die meisten Leute haben hier aber so viele wirtschaftliche und soziale Probleme, dass der Naturschutz in den Hintergrund rückt.
Was ist Ihr grösster Erfolg?
Die Einrichtung des «Botchinsky Naturreservats». Ein 50 000 Hektaren grosser, unberührter Wald am Fluss Botchi bei Khabarovsk sollte gerodet und durch künstliche Pflanzungen ersetzt werden. Gemeinsam mit Wissenschaftlern konnten wir lokale Politiker überzeugen, das Gebiet unter Schutz zu stellen.
Rolf Zenklusen arbeitet als freischaffender Journalist.
Weiterführende Informationen
Info
Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.
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