Regionaler Naturpark Gruyère Pays-d’Enhaut Matthias Sorg
15.10.2020 Umweltpolitik

Natur im Naturpark: Nur Werbekulisse?

In den kommenden Monaten werden die Labels für mehrere Regionale Naturpärke erneuert. Pro Natura fordert, dass nur Pärke das Label erhalten, in denen echte Bemühungen für Natur und Landschaft zu erkennen sind.

Als kleine Weltwunder werden die 16 Regionalen Naturpärke der Schweiz angepriesen. In diesen Pärken verpflichten sich Kantone und Gemeinden, die Natur und Landschaft zu erhalten und besonders zu fördern. Der Bund prüft die jeweiligen Gesuche und erteilt seine Anerkennung. Alle zehn Jahre wird dieser Prozess erneuert.

Pro Natura hofft, dass der Bund nur Regionen mit einem Naturpark auszeichnet, in denen echte Bemühungen für Natur und Landschaft erkennbar sind. Denn wie mit Natur und Landschaft in einzelnen Pärken umgegangen wird, darüber kann man sich mitunter wundern. 2017 hat das Bundesamt für Umwelt (Bafu) der Biosphäre Entlebuch als erstem Regionalen Naturpark das Label für weitere zehn Jahre bewilligt. Offenbar war das Bundesamt mit dem Einsatz des Kantons und der Gemeinden für Natur und Landschaft zufrieden.

Verteidigen Gemeinden die Natur?

Praktisch zur gleichen Zeit erhielt das Bafu vom Kanton Luzern die Information, dass die Umsetzung des Schutzes aller Hochmoore, Flachmoore und Auen von nationaler Bedeutung ungenügend sei. Nur acht Prozent der Biotope von Nationaler Bedeutung würden eine gute Qualität aufweisen.

Rund 80 Prozent dieser Biotope von nationaler Bedeutung liegen in der Biosphäre Entlebuch. Doch der Standortkanton Luzern konnte nicht einmal angeben, ob ausreichende Pufferzonen zum Schutz dieser Moore bestehen. Und neulich wurde bekannt, dass in der Biosphäre Entlebuch zwei Landwirte illegal einen Fahrweg durch ein Moor gebaut und dabei ein Flachmoor von nationaler Bedeutung geschädigt haben. Statt den Rückbau anzuordnen, will nun die Gemeinde Entlebuch die Strasse nachträglich bewilligen. Sind das die Leistungen für Natur und Landschaft, die von Kanton und Gemeinden in einem Regionalen Naturpark erwartet werden? Oder wird das Label Regionaler Naturpark vom Bund unbesehen verschenkt?

Auch beim Regionalen Naturpark Doubs kann man sich wundern. Idyllisch schlängelt sich der Doubs durch eine scheinbar intakte Juralandschaft. Doch nicht das ganze Gebiet auf Schweizer Seite gehört zum Regionalen Naturpark. Mittendrin klafft eine Lücke, weil die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger von Soubey eine Beteiligung am Park abgelehnt haben. Die Idylle ist zudem trügerisch: Der Doubs und die darin lebenden Tierarten haben mit enormen Problemen zu kämpfen. Trockene, heisse Sommer verschärfen das Problem zusätzlich.

Kantone und Gemeinden, die es mit der Erhaltung der Natur und Landschaft und einer nachhaltigen Wirtschaft ernst meinen, haben hier ein breites Betätigungsfeld. Ein Regionaler Naturpark könnte mit Kommunikation, Koordination und klaren Voten wertvolle Unterstützung für eine nachhaltige Entwicklung leisten. Doch leider geschieht dies nicht. Nicht einmal für den Abbruch des nicht mehr benötigten Stauwehrs bei Theusseret wagte sich der Park Stellung zu beziehen. Statt Engagement für Natur, Landschaft und Nachhaltigkeit und dem Aufzeigen vorhandener Probleme wird lieber das Bild einer heilen Welt vermittelt.

Wirklich nachhaltige Produkte

Die Regionalen Naturpärke selbst haben begrenzte Möglichkeiten, direkt auf Natur, Landschaft und Nachhaltigkeit Einfluss zu nehmen. Denn nicht sie entscheiden über Kraftwerke, Kläranlagen und andere Bauprojekte. Regionale Naturpärke können aber Waren und Dienstleistungen aus der Region mit einem Label versehen und so die Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit stärken. In einigen Pärken geschieht das sehr überlegt. Dort findet man Biowein, Trockenwürste aus Biofleisch, auf dem Holzfeuer hergestellten Alpkäse und andere Produkte, die zweifellos den Anspruch auf mehr Nachhaltigkeit erfüllen.

Doch es gibt auch Ausnahmen: Was haben Äpfel aus einer Intensivobstanlage mit Nachhaltigkeit und einem intakten Landschaftsbild zu tun und was die vielen konventionell produzierten Weine, die es im Warenkorb der Regionalen Naturpärke hat? Wenig nachhaltig produzierte Produkte schaden dem Image des Labels, selbst wenn die Produktion regional stattfindet.

In den kommenden Monaten werden in verschiedenen Regionen der Schweiz Gemeinden und Kantone entscheiden, ob sie die Weiterführung eines Regionalen Naturparks beantragen wollen, und der Bund hat zu entscheiden, ob er für weitere zehn Jahre seine Anerkennung erteilt. Es ist zu wünschen, dass jeder dieser Entscheide ein Entscheid zugunsten der Erhaltung und Förderung von Natur und Landschaft ist.

URS TESTER leitet bei Pro Natura die Abteilung Biotope und Arten.

Weiterführende Informationen

Info

Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.



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