Drapeau de la campagne Oui à la biodiversité accroché au bord du chemin le 22 septembre Raphael Weber
08.08.2024 Biodiversitätskrise

«Die Landwirtschaft und die Biodiversität gehen Hand in Hand»

Die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen ist ein erklärtes Ziel unseres Landes – die Realität sieht leider anders aus. Darum braucht der Schutz der Biodiversität dringend eine stärkere Verankerung in der Verfassung. Und darum brauchen wir am 22. September ein Ja zur Biodiversitätsinitiative.

Pro Natura Magazin: Auf Ihrem Milchviehbetrieb gelten 50 Pro­zent der Wiesen und Weiden als Biodiversitätsförderflächen (BFF). Das erstaunt: Landwirtschaftliche Produktion und Förde­rung der Biodiversität werden oft als «unvereinbar» dargestellt.

Braida Dür: Die Landwirtschaft und die Biodiversität gehen Hand in Hand. Es ist ein Miteinander und nicht ein Entweder­-Oder. Ohne Landwirtschaft gäbe es diese wunderbaren Blumenwiesen mit ihrer Insektenpracht nicht. Sie würden innert weniger Jahre verbuschen und bald verwalden. Umgekehrt profitiert die Landwirtschaft von der Biodiversität. Diese hält die Böden fruchtbar und gesund, sichert die Bestäubung der Kulturpflanzen und sorgt für stabile Erträge. Zudem schafft sie mehr Nutzungselastizität.

Was verstehen Sie darunter?

Ungedüngte artenreiche Wiesen schiessen weniger schnell in die Höhe als intensive Wiesen. Wenn es, wie beispielsweise diesen Frühling, lange regnet, muss man nicht gleich befürchten, dass das ganze Futter umknickt und dann die Futterqualität schlecht ist. Auch bei der Weideführung ist der Spielraum um einiges grösser.

Die Erträge fallen aber tiefer aus.

Das ist so. Auf unseren Wiesen und Weiden würde bedeutend mehr Futter wachsen, wären sie stärker gedüngt. Ich bin aber überzeugt, dass die artenreiche Zusammensetzung der Wiesen und Weiden zu Futter mit einer grösseren Vielfalt an Inhaltsstoffen führt und damit auch zu ernährungsphysiologisch wertvolleren Lebensmitteln. Der ökonomische Druck ist aber so hoch, dass viele Bäuerinnen und Bauern vor allem die Nachteile sehen: tiefere Erträge, höheren Arbeitsaufwand.

Was erhoffen Sie sich von der Biodiversitätsinitiative?

Ich finde die Biodiversitätsinitiative etwas vage formuliert, sie lässt viel Interpretationsspielraum zu. Nichtsdestotrotz betont sie, wie wichtig es ist, die Biodiversität zu schützen. Ich erhoffe mir davon, dass wir uns weg vom Schwarz-­Weiss­-Denken hin zu einer bio­diversitätsfreundlichen Produktion von nachhaltigen und gesunden Lebensmitteln bewegen. Das erfordert ein Überdenken der bis­herigen Regelungen. Ich bin überzeugt, dass man mit kreativen und intelligenten Massnahmen die Biodiversität erhöhen kann, ohne dass die Lebensmittelproduktion verringert wird. Beispielsweise findet man auf Wiesen, die nur mit etwas Mist gedüngt werden, eine recht hohe Artenvielfalt vor und gleichzeitig ermöglichen sie auch eine bedeutend höhere Futterproduktion als ungedüngte Wiesen und Weiden.

NICOLAS GATTLEN ist Reporter des Pro Natura Magazins.

Braida Dür (42) lebt mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in Couvet/NE im Val-de-Travers. Auf 1100 Metern über Meer bewirtschaftet das Paar seit vier Jahren einen 50 Hektaren grossen Hof, «La Ferme sur le Crêt». Der Bio-Knospe-Betrieb ist auf Milchwirtschaft ausgelegt: Die 33 Kühe sind vom Frühling bis im Herbst Tag und Nacht draussen auf der Weide und die Kälber bleiben bis zu vier Monate lang in Kontakt mit ihren Müttern. Die Milch wird zu Käse (Bio-Gruyère) verarbeitet.

Weiterführende Informationen

Info

Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.

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