Massnahmen und Messlatten für die Biodiversität in der Schweiz fehlen
An der UNO-Biodiversitätskonferenz in Cali ist jetzt Halbzeit. Ein wichtiges Ziel der Konferenz: noch fehlende Indikatoren definieren, welche die Wirkung der Massnahmen aufzeigen. Auf dem internationalen Parkett engagiert sich die Schweiz für ein standardisiertes, klares Kontrollsystem. Im eigenen Land fehlen jedoch sowohl der neue Aktionsplan als auch Indikatoren für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen.
Einfallstor für Schönfärberei
Was geschieht, wenn Indikatoren fehlen, zeigt der erste Aktionsplan Biodiversität der Schweiz, der die Naturvielfalt in der Schweiz hätte sichern sollen. Als er 2017 beschlossen wurde, wurden zwar verschiedene – wenn auch aus wissenschaftlicher Sicht absolut ungenügende – Massnahmen festgelegt, aber keinerlei Indikatoren. Diese hätten jedoch zeigen müssen, ob der Aktionsplan überhaupt wirksam zur Erreichung der Schweizer und internationalen Biodiversitätsziele beiträgt. Dass damals keine Messlatte festgelegt wurde, rächte sich, als 2023 Bilanz zu ziehen war. Mit aufwändigen Aufträgen an Beratungsfirmen versuchte das BAFU, den Fehler zu korrigieren und die Wirkung der Massnahmen doch noch zu beurteilen. Das Resultat ist eine völlig schwammiger Wirkungsbericht, der deswegen auch beschönigt werden konnte.
Hohn fürs Stimmvolk
Im Entwurf für den neuen Schweizer Aktionsplan Biodiversität, der ab 2025 gelten soll, fehlen die Indikatoren erneut. Das ist absolut unverständlich: Ohne Indikatoren fehlt die Orientierung, ob man auf Kurs ist, die Ziele zu erreichen, und kann die Massnahmen nicht nötigenfalls rechtzeitig anpassen. Im Entwurf ist zudem unter schönen Titeln wie etwa „Wiederherstellung leistungsfähiger Ökosysteme“ vorgesehen, bis 2030 weitere Berichte zu schreiben. Doch davon gibt es genug. Es ist längst bekannt, was für die Erhaltung der Biodiversität als unsere Lebensgrundlage zu tun ist. Dennoch enthält der Entwurf keinerlei Massnahmen, die auf der Fläche Wirkung erzielen. Man hofft einfach, dass jemand die Berichte aufnimmt und etwas damit macht. Was es im Aktionsplan hingegen braucht, sind ganz konkrete, wirksame und dank Indikatoren messbare Massnahmen die zeigen, welche Ökosysteme wie in welchem Umfang bis 2030 wiederhergestellt werden.
Mit dem neuen Aktionsplan Berichte zu produzieren in der Hoffnung, dass sie irgendwie aufgenommen werden und zu Massnahmen führen, ist zum Scheitern verurteilt. Dies auch deshalb, weil die Finanzen für den Naturschutz in der Herbstsession zusammengestrichen wurden und im Januar weitere Kürzungsvorschläge in die Vernehmlassung gehen. Ein Aktionsplan ohne nötige Massnahmen, Indikatoren und Finanzen verhöhnt das Stimmvolk, das den Versprechen des Bundesrates geglaubt hat. Denn der Bundesrat hat vor der Abstimmung zur Biodiversitätsinitiative vom 22. September versprochen, die bedrohten Tier- und Pflanzenarten sowie die gefährdeten Lebensräume mit einem wirksamen neuen Aktionsplan zu erhalten.
Unterdessen haben in Cali bereits 115 Länder ihre Ziele oder Aktionspläne zum Erhalt der Naturvielfalt in ihren Ländern vorgelegt – nicht so die Schweiz. Dieses Versäumnis muss nun wenigstens dafür genutzt werden, den absolut ungenügenden Entwurf des Aktionsplans zu überarbeiten und darin gleich die neuen Indikatoren aus Cali zu integrieren. Nur so kann der Aktionsplan wirksam zum Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen beitragen.
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Gemeinsame Medienmitteilung von BirdLife Schweiz, WWF Schweiz und Pro Natura