Mehrheit der UREK-S bricht mit Abstimmungsversprechen und streicht das Beschwerderecht
Nur rund vier Monate nach der Abstimmung über das Stromgesetz bricht die Mehrheit der UREK-S das Versprechen von Bundesrat und Parlament, dass “die Beschwerdemöglichkeiten von Privaten und Verbänden aber bestehen bleiben” (Abstimmungsbüchlein zum Stromgesetz, S. 44 ) und ignoriert den Volkswillen. Anstatt einfach die Verfahren zur Bewilligung von Energieprojekten zu straffen - so wie es Bundesrat und Nationalrat vorgesehen hatten - will eine Mehrheit der UREK-S das Verbandsbeschwerderecht und damit die Stimme der Natur massiv einschränken. Ursprünglich hatte die sogenannte Beschleunigungsvorlage zum Ziel, die Verfahren zur Bewilligung von Energieprojekten von nationalem Interesse zu vereinfachen und effizienter zu gestalten - ein Anliegen, das auch die Umweltorganisationen explizit befürworten. Doch nun schiesst eine Mehrheit der UREK-S über das Ziel hinaus und will das Beschwerderecht der Zivilgesellschaft massiv einschränken. Das wäre ein schwerer Schlag gegen den Rechtsstaat und ein massiver Vertrauensverlust in die Politik, wenn nun mit dem Versprechen im Abstimmungskampf gebrochen wird. Die zahlreichen weiteren Beschlüsse müssen im Detail noch analysiert werden, sobald die entsprechenden Unterlagen vorliegen.
Zahlen zeigen: VBR wird zurückhaltend eingesetzt
Die Umweltkommission des Ständerats hat die Vorlage in Schieflage gebracht, indem sie das Verbandsbeschwerderecht bei den 16 im Stromgesetz festgehaltenen Wasserkraftanlagen streicht. Die Zahlen der Beschwerdestatistik bestätigen die zurückhaltende und zielgerichtete Nutzung des Verbandsbeschwerderechts durch die Umweltorganisationen: Zwischen 2010 und 2020 wurden rund 750 Wasser-, Wind- oder Biomassenprojekte realisiert, bei lediglich 62 wurde mittels Beschwerde eine Verbesserung für den Schutz der Natur gefordert.
Hauptverantwortlich für die teils schleppende Umsetzung von Energieprojekten ist ferner nicht das Verbandsbeschwerderecht, sondern die oftmals langwierigen Planungs- und Bewilligungsverfahren sowie die fehlenden Ressourcen bei den zuständigen Amtsstellen und Gerichten. Genau diese Stolpersteine müssen mit der Beschleunigungsvorlage angegangen werden.
Vorlage ist absturzgefährdet
Der Entscheid der Mehrheit der UREK-S bringt nun die Vorlage aus dem Lot und untergräbt ihre Mehrheitsfähigkeit. Das Verbandsbeschwerderecht ist ein Eckpfeiler des Umweltrechts und ein zentrales Element zur Einhaltung der Gewaltenteilung. Die beschlossene Einschränkung dieses Rechts ist unnötig, unvernünftig und nicht verhältnismässig. Hier muss das Parlament den Entscheid der UREK-S korrigieren.
Kontakt:
- WWF Schweiz: Stefan Inderbitzin, Kommunikationsberater, [email protected], 079 720 50 92
- BirdLife Schweiz: Raffael Ayé, Geschäftsführer, Tel. 076 308 66 84, @email
- Pro Natura: Stefan Kunz, Abteilungsleiter Politik & Internationales, Tel. 079 631 34 67, @email
Das Verbandsbeschwerderecht (VBR)
Da die Natur ja selber keine Stimme hat, können dank des Verbandsbeschwerderechts in besonders kritischen Fällen von erheblichen Eingriffen in die Natur und Umwelt und nach sorgfältiger Analyse Bewilligungen für Projekte durch ein Gericht überprüft werden. Dies betrifft lediglich einen ganz kleinen Teil aller Projekte. Entscheide fällen immer die Richter:innen.
Das VBR ist ein wichtiges und bewährtes Instrument im Umweltrecht, welches verantwortungsvoll eingesetzt wird. Das Verbandsbeschwerderecht steht nur ausgewählten Umweltorganisationen zu, die sich seit über 10 Jahren und gesamtschweizerisch für den Schutz der Natur einsetzen. Zwischen 2010 und 2020 wurden 750 Wasser-, Wind- oder Biomassenprojekte realisiert. In diesem Zeitraum gab es im Schnitt weniger als 6 Verbandsbeschwerden pro Jahr, um beim Bau von erneuerbaren Energieprojekten die gesetzlich vorgeschriebenen Verbesserungen für den Schutz der Natur zu erreichen.
In zwei von drei Fällen, in denen das Verbandsbeschwerderecht eingesetzt wird, gibt es dadurch die gesetzlich verlangten Verbesserungen für die Natur. Im Vergleich zum Beschwerderecht für Private wird das Verbandsbeschwerderecht sehr sparsam und effizient eingesetzt. Verbandsbeschwerden werden von den Gerichten drei bis vier Mal häufiger gutgeheissen als Beschwerden von Privaten. Eine Studie der Universität Genf zeigt, dass nur 1 von 100 Beschwerden bei kantonalen Verwaltungsgerichten auf Grund des VBR eingereicht wurde. Der Rest waren private Beschwerden.
Weiterführende Informationen
Info
Gemeinsame Medienmitteilung von WWF Schweiz, BirdLife Schweiz und Pro Natura
Foto: Jan Gürke