Illustration von Mina Hofstetter Pascal Staub, Grafilu
Landwirtschaft

Mina Hofstetter bauert biologisch, lange vor der Bio-Bewegung

Was ist einer der grössten Vorteile einer viehlosen Landwirtschaft? Die Schweiz könnte sich besser selbst versorgen. So mo­dern dieses Thema auch klingt, für Mina Hofstetter ist es schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein grosses Anliegen.

Ab 1928 verzichtet sie auf ihrem Hof auf die Viehhaltung und baut nur noch Getreide an. Neben dem Vorteil, dass man auf diese Weise mehr Menschen ernähren kann, geht es ihr auch um das Tierwohl und die Be­freiung der Bauernfamilien aus der «Ver­sklavung» durch die Milchwirtschaft, die täglichen Einsatz für die Pflege der Tiere erfordert.

Mina Hofstetter, 1883 in Stilli (AG) ge­boren, gilt heute in vielerlei Hinsicht als Pionierin. 1915 erwirbt sie gemeinsam mit ihrem Mann Ernst den Hof Stuhlen (ZH). Schon bald überlässt ihr der Ehemann die volle Verantwortung für die Landwirtschaft, sodass sie sich ihren Experimenten frei widmen kann. Unablässig verfolgt sie das Ziel, Harmonie zwischen Pflanzen, Tieren, Menschen und Boden herzustellen.

In ihrem Buch «Neues Bauerntum, al­tes Bauernwissen» äussert sie sich begeis­tert über das wimmelnde Leben, das man in einer winzigen Bodenprobe finden kann. In der Überzeugung, dass unsere eigene Existenz von dieser Biodiversität abhängt, und in Anlehnung an die biodynamische Lehre Rudolf Steiners, des Begründers der Anthroposophie, erarbeitet sie die Grund­sätze dessen, was später als Permakultur bekannt werden wird.

Statt Pflanzenschutzmittel einzusetzen, schafft sie in ihrem Garten Lebensraum für Vögel, die als natürliche Feinde ungewoll­ter Insekten agieren. Im Herbst lässt sie das Laub der Bäume liegen, damit es seine Funktion als Dünger und Bodenschutz erfüllen kann. Durch den nahen Kontakt zur Lebensreformbewegung wird sie 1922 Vegetarierin und stellt ihre Ernährung gar auf Rohkost um.

Ab 1929 organisiert Hofstetter auf ihrem Hof praktische Kurse, um ihre Anbau­methoden zu vermitteln, und 1936 gründet sie die Lehrstätte «Seeblick». Dort findet 1947 die Gründungsversammlung der «Ge­nossenschaft biologischer Landbau» statt, aus der später die Organisation Bioterra hervorgehen wird.

Die Bekanntheit von Mina Hofstetter reicht über die Landesgrenzen hinaus: 1937 wird sie nach Bratislava zur Konferenz «Women’s Organisation for World Order» eingeladen. Denn auch die Frauenbewe­gung liegt ihr am Herzen, ebenso wie das Los der Kleinbauern. Sie plädiert für einen besseren Dialog zwischen Landwirten und Konsumenten und ist überzeugt, dass sich die Menschen saisongerechter ernähren, wenn man sie von Kindesbeinen an mit der Pflanzenwelt vertraut macht.

TANIA ARAMAN ist Redaktorin der französischsprachigen Ausgabe des Pro Natura Magazins

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Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.

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