Neue Revision Jagdgesetz: Der «Wolfskompromiss» kurz erklärt
Nach dem Nein des Volkes zur Revision des Jagdgesetzes am 27. September 2020 haben die massgebenden betroffenen Organisationen in Gesprächen nach einer gemeinsamen Lösung gesucht, da die Polemik über den Wolf niemandem etwas bringt. In zahlreichen, durchaus kontroversen Gesprächsrunden wurden die Rahmenbedingungen für einen für alle beteiligten Organisationen akzeptierbaren Kompromiss gefunden. Die mitunter sehr erheblichen Differenzen zwischen den Organisationen bleiben bestehen, aber mit dem Kompromiss können die politischen Scharmützel und die medialen Auseinandersetzungen gemildert werden.
Bei den beteiligten Organisationen handelt es sich neben Pro Natura um den Schweizer Bauernverband (SBV), den Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verband (SAV), die Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB), den Schweizerischen Forstverein (SFV), JagdSchweiz, BirdLife Schweiz, die Gruppe Wolf Schweiz (GWS) und den WWF Schweiz. Sie bekennen sich zum gemeinsamen Kompromiss.
Worin besteht der Kompromiss?
Die beteiligten Organisationen sprechen sich für eine schlanke, rasche Revision des Jagdgesetzes aus, welche die berechtigten Anliegen aller Seiten aufnimmt. Dies umfasst eine Flexibilisierung im Umgang mit dem Wolf ebenso wie sichernde Bedingungen für den Wolfsbestand, eine Stärkung des Herdenschutzes, eine bessere Berücksichtigung der natürlichen Verjüngung im Wald inkl. der Rolle des Wolfes und weiteren Massnahmen für die Biodiversität.
Was bedeutet dies konkret für den Wolf?
Zur Vermeidung von wahrscheinlichen wesentlichen Schäden und zur Verhinderung einer konkreten Gefährdung von Menschen können Wölfe künftig rascher reguliert werden. Damit wird ein präventives Regulierungsinstrument eingeführt. Zugleich werden aber die regionalen Bestände erhalten, der Einfluss des Wolfes auf die natürliche Verjüngung im Wald wird berücksichtigt und der zumutbare Herdenschutz muss zuerst umgesetzt werden.
Der Kompromiss flexibilisiert also den Umgang mit dem Wolf und schafft zusätzliche Regulationsmöglichkeiten, wird dessen Bestand jedoch weder schweizweit noch regional gefährden und ist auch keine pauschale Abschussfreigabe. Da die regionalen Bestände gesichert werden müssen, diese heute aber auf 90% der Landesfläche noch gar nicht vorhanden sind, bedeutet der Kompromiss insbesondere keinen Stopp seiner Ausbreitung.
Die Ausbreitung des Wolfes in weitere Regionen der Schweiz wird deshalb weitergehen. Jedoch können die regionalen Bestände künftig reguliert werden, damit die Schäden an Nutztieren das tolerierbare Niveau nicht überschreiten. Die Festlegung der Kriterien für die Regulierung und deren Bewilligung obliegen wie bisher dem Bund und gehen nicht an die Kantone über. Der Wolf bleibt geschützt und wird nicht jagdbar, ein Eingriff in den Bestand ist somit nur unter den genannten Voraussetzungen möglich. Gegenüber der vom Volk abgelehnten Revision des Jagdgesetzes werden zusätzliche Bedingungen für die Wolfsregulierung beibehalten.
Der Kompromiss stellt aus Sicht des Wolfes eine bessere Lösung dar, hilft aber insbesondere auch der Landwirtschaft mehr, weil er einerseits gesellschaftlich besser akzeptiert ist und andererseits zusätzliche finanzielle Unterstützungen und Entschädigungen vorsieht, die das abgelehnte Jagdgesetz nicht beinhaltete.
Wie geht es weiter?
Die beteiligten Organisationen sind sich einig, dass eine neue Revision des Jagdgesetzes auf der Basis des Kompromisses gemacht werden soll und dessen klar abgesteckten Rahmen nicht verletzen darf. Andernfalls besteht keine gemeinsame Unterstützung mehr für eine neue Revision und die politischen Grabenkämpfe beginnen von vorne. Die ersten Signale der nationalrätlichen Umweltkommission sind vielversprechend, der politische Prozess steht jedoch erst am Anfang.
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Info
Was ist eigentlich gemeint mit der präventiven Regulierung des Wolfes gemäss dem gemeinsamen Kompromiss der Land- und Waldwirtschafts-, Jagd- und Naturschutz-organisationen? Dies bedeutet, wahrscheinliche zukünftige, wesentliche Schäden zu vermeiden, die Wolfsbestände regional so auf einem Niveau zu halten, dass die Wolfsschäden ein für die Tierhaltung tolerables Niveau nicht überschreiten, und dabei den Einfluss des Wolfs auf die Waldverjüngung zu berücksichtigen. Eine präventive Regulierung heisst auch, eine konkrete Gefährdung von Menschen jederzeit auszuschliessen. Voraussetzung für eine präventive Regulierung ist, dass die zumutbaren Schutzmassnahmen zuvor getroffen wurden und die regionalen Wolfsbestände nicht in der Existenz gefährdet werden. Der Herdenschutz ist zu verstärken.