Moorregeneration Rothenthurm
Neue Etappe der Bauarbeiten
Die Auswirkungen des früheren Torfabbaus, Wasserentnahmen und Entwässerungsgräben gefährden den Erhalt der Biotope von nationaler Bedeutung und ihrer wertvollen Biodiversität. Das Moor von Rothenthurm hat Durst, wie viele andere Moore in der Schweiz auch. Diese Austrocknung ist für Spaziergänger kaum bemerkbar, aber wenn man die Zeichen erkennt, gut sichtbar.
Ohne Wasser kein Moor
Pro Natura schützt 72 Hektaren Flach- und Hochmoore in der Ebene von Rothenthurm. Die erste Etappe der Regenerationsarbeiten (2008-2014) trägt Früchte. Im Herbst 2023 begann eine neue Etappe in den Gebieten «Im äusseren Bann» (Rothenthurm) und «Wolfschachen» (Einsiedeln), die bis mindestens 2026 dauern wird. Dabei geht es in erster Linie darum, das Niederschlagswasser dauerhaft im Moor zurückzuhalten.
Dazu sperren und füllen wir kleine Entwässerungsgräben. An breiteren Stellen rammen wir Holzpalisaden in den Boden, bis wir den wasserundurchlässigen Untergrund erreichen.
In Wolfschachen führen die Besonderheiten des Geländes zu Innovationen. Hier haben wir im November 2023 eine erste Palisade gebaut. Nach der Fertigstellung der Palisade, wurde sie mit Torf und Vegetation bedeckt. So wurde sie vor dem Zersetzen geschützt. Mit dem Abschluss der Arbeiten im November, wurde die von der Palisade zurückgehaltene Wasserfläche der einzige Zeuge unserer Aktion. Hier konnte die seltene Torfmoorlibelle nun einen optimalen Lebensraum finden. Bevor wir mit dem Bau der nächsten Palisaden begonnen haben, wurde 2024 deren Wirksamkeit überprüft.
Wieso sind menschliche Eingriffe in die Natur nötig in Rothenthurm?
Das Moor, wie wir es heute kennen, ist bereits das Ergebnis von bedeutenden, menschgemachten Veränderungen der letzten Jahrhunderte. Denn geschützt ist es erst seit 1987 und die Drainagegräben, die vor diesem Datum ausgehoben wurden, entwässern das Moor immer noch. Daher muss der gesetzliche Schutz mit praktischen Massnahmen vor Ort konkretisiert werden.
Torfabbau
Der Torfabbau auf sehr grossen Flächen und die anschliessende grossflächige Entwässerung haben den natürlichen Wasserhaushalt, der die Entstehung dieser Moore vor fast 10'000 Jahren überhaupt ermöglichte, stark gestört. Das Moor, wie wir es heute kennen, ist vollständig von früheren und gegenwärtigen menschlichen Handlungen beeinflusst. Die Eingriffe, die vor 100 Jahren vorgenommen wurden, haben ein Ungleichgewicht geschaffen. Natürliche Prozesse versuchen nun wieder ein Gleichgewicht herzustellen.
Um das Moor zu verstehen, muss man seine Zeitwahrnehmung ändern. Auf der Lebensskala des Moors sind 100 Jahre wie für uns ein Jahr. Die heutige Entwicklung der Moore ist für diese jahrtausendealten Ökosysteme tatsächlich sehr schnell, während sie für das menschliche Auge langsam und unscheinbar ist. Dennoch lassen sich einige Probleme, wie z. B. Austrocknung und Erosion, sehr gut erkennen.
Es könnte sein, dass Teile des Moors in diesem Jahrhundert selber wieder ins Gleichgewicht finden. Bis es so weit ist, würden aber viele Strukturen, die das Moor als Lebensraum so wertvoll machen, verloren gehen und die dort lebenden seltenen Tiere und Pflanze verschwinden. An Stellen, wo die Hydrologie zu stark gestört wurde, würde das Moor ganz verloren gehen und durch Wald ersetzt werden. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir heute eingreifen, um die Eingriffe der Vergangenheit auszugleichen.
- Bastien Amez-Droz
Das erreicht Pro Natura mit den Wassersperren:
Um die Moore zu erhalten, müssen wir sie feuchter machen. Dazu halten wir das Wasser so lange wie möglich im Moor zurück. Wir stauen das Wasser an günstigen Stellen, und füllen die Gräben auf. Anschliessend lenken wir die Wasserströme wieder in ihre ursprüngliche Richtung oder stellen eine günstige Topografie wieder her.
Wir greifen auf kleinen Flächen ein, um viel weitreichendere positive Effekte zu erzielen. So kann sich die typische Vegetation sanft wieder ansiedeln und später wird die Torfbildung wieder anlaufen, was sich positiv auf das Klima auswirkt.
Die für 2023-2026 geplanten Bauarbeiten sind umfangreicher als bisherige Massnahmen. Insgesamt wollen wir in den Sektoren Wolfschachen (Einsiedeln) und Im äusseren Bann (Rothenthurm):
- rund 30 Holzspundwände errichten,
- 2,3 km Gräben auffüllen und
- 12 Aren zerstörte Vegetation spezifisch revitalisieren.
- Bastien Amez-Droz
Wir werden einige Bäume und Sträucher fällen müssen und Elemente von geringerem ökologischem Wert entfernen. Dies ist aber notwendig, um Voraussetzungen zu schaffen, in denen sich das Moor wieder entwickeln kann. In wenigen Jahren wird die Artenvielfalt grösser sein, als sie es heute ist.
Wir beschränken die momentane Auswirkung auf ein absolutes Minimum und erhalten die Vegetation mit dem grössten ökologischen Wert. Es kann auf kleinen Flächen kurzzeitige Verluste geben. Aber innerhalb von 1-2 Jahren werden wir bereits bedeutende Verbesserungen sehen. Die CO2-Freisetzung können wir hingegegen umgehend stoppen: indem wir nämlich ausgetrockneten Torf wieder vernässen, wird dessen Abbau und die Freisetzung von CO2 sofort eingedämmt.
Um das herauszufinden, müssten Sie sich während den Bauarbeiten umsehen, denn kurz danach gibt es nichts mehr zu sehen, ausser dem Wasser, das im Moor gestaut wird. Damit die Holzbauwerke nicht verfaulen, müssen sie feucht gehalten werden. Sie werden deshalb in den Torfkörper gebaut und anschliessend mit Torf und der Vegetation, die zu Beginn der Arbeiten an der gleichen Stelle entnommen wurde, bedeckt.
Die Spundwände bestehen aus Holzbohlen mit Nut und Kamm, die nacheinander ineinandergeschoben werden, um eine wasserdichte Sperre in der gewünschten Länge zu bilden. Je nach Grösse des zu blockierenden Grabens braucht es manchmal eine Stütze aus Baumstämmen, um die Spundwand gegen den Wasserdruck abzustützen. Wir arbeiten mit lokalen Partnern zusammen und verwenden Holz aus der Region.
Die Gräben werden mit Torf aufgefüllt und die Oberfläche wird wieder geebnet: Zuerst wird die Vegetation entfernt und der Graben von dem zersetzten Torf gesäubert. Anschliessend wird der Graben mit intaktem Torf aufgefüllt und der zuvor beiseite geschaffte, zersetzte Torf und die Vegetation wird wieder darübergelegt.
In Wolfschachen wurde eine kleine Fläche beim Torfabbau im letzten Jahrhundert teilweise ausgespart. Dadurch liegt sie höher als die umliegenden Flächen und erhält nicht mehr genügend Wasser. Aus diesem Grund wird sie vom Pfeifengras besiedelt und die Torfmasse wird aufgrund der Zersetzung verschwinden, wenn nichts unternommen wird. Bei der derzeitigen Topographie kann man diese Fläche nicht regenerieren. Wir werden deshalb die Vegetation beiseite legen und eine Torfschicht abtragen. Mit dem entnommenen Torf werden wir die Gräben auffüllen und die Holzspundwände abdecken. Gleichzeitig werden wir durch die Veränderung der Topographie feuchtere Bedingungen schaffen, die eine Regeneration dieser Fläche ermöglichen. Die Vegetation wird wieder an ihren ursprünglichen Standort gebracht und profitiert von den neuen, feuchteren Bedingungen.
In «Im äusseren Bann» werden wir an einer Stelle, die eine zu trockene Vegetation aufweist, etwas Torf entnehmen. So schaffen wir eine Wasserfläche. Das Moor profitiert damit in trockenen Perioden von Wasservorräten und es entsteht ein günstiger Lebensraum für die Fortpflanzung der seltenen Moorlibellen.
Bild: Die Gräben, die 2014 in Wolfschachen aufgefüllt wurden, sieht man heute nicht mehr. Der Pächter kann die Moorfläche weiterhin mähen. © Bastien Amez-Droz
Pro Natura arbeitet seit langem mit benachbarten Landwirten zusammen. Sie pflegen die Flächen, die gemäht werden müssen. Die Arbeiten werden nur sehr geringe Auswirkungen auf die Bewirtschaftung der Streuflächen haben. Lediglich zwei Sperren werden Flächen überfluten, die derzeit gemäht werden. An diesen beiden Sperren werden wir ein Ablasssystem installieren, das es dem Landwirt ermöglicht, das Wasser kurz vor der Mahd im September abzulassen, damit die Fläche befahren werden kann. Diese kurze Trockenzeit ist für die Regeneration des Moors nicht störend
Das Moor befindet sich durch die menschlichen Eingriffe in einem sehr instabilen Zustand, der zu einer raschen Veränderung dieses mehrtausendjährigen Ökosystems führt. Auf menschlicher Ebene sind diese Veränderungen kaum wahrnehmbar, aber dennoch sehr real.
Bei einem aufmerksamen Auge kann man stellenweise eine Absenkung der Torffläche um mehr als einen Zentimeter pro Jahr beobachten. Aufgrund der Austrocknung kann Luft in den Torf eindringen, was dazu führt, dass der Torf verschwindet, zur Hälfte in Form von CO2 und zur anderen Hälfte in Substanzen, die vom Regen weggespült werden. Während die Moore früher grosse Mengen an Kohlenstoff gebunden haben, sind sie heute CO2-Quellen. Beobachtungen von Botanikern über die letzten Jahrzehnte zeigen, dass die Moore jedes Jahr ein wenig mehr austrocknen.
Bild: Diese Holzwand war 2008 noch völlig im Torf versteckt. Der Torfkörper setzte sich in den letzten Jahren ab, sodass die Wand heute aus der Torffläche herausragt. © Bastien Amez-Droz
Wenn man Gemüse- und Pflanzenreste auf dem Komposthaufen entsorgt, bauen Destruenten, auch Zersetzer genannt, das organische Material ab. Dasselbe passiert mit Laub auf dem Waldboden. In einem Moor ist das anders. Unter ständig feuchten oder nassen Bedingungen gibt es keine Luft im Boden und damit fehlt den Destruenten der nötige Sauerstoff. Ohne Destruenten werden die Pflanzenreste nicht vollständig zersetzt und sammeln sich im Laufe der Jahre an. So entsteht Torf, und zwar durchschnittlich nur einen Millimeter pro Jahr. Es dauert also mindestens 2000 Jahre, bis ein Moor 2 Meter Torfschichten gebildet hat.
Pflanzen brauchen Kohlenstoff, um zu wachsen und sich zu bilden. Sie gewinnen ihn durch die Photosynthese. Kurz gesagt: Die Pflanzen entziehen der Luft Kohlendioxid (CO2), behalten den Kohlenstoff (C) und geben Sauerstoff (O2) ab. Da in den Mooren die Überreste dieser Pflanzen nicht zersetzt, sondern als Torf angesammelt werden, wird der Kohlenstoff auf diese Weise gespeichert. Gesunde Torfmoore sind also Kohlenstoffspeicher. Sie gehören zu den effektivsten CO2-Speichern auf der Erde: In einer Torfschicht von etwa 16 cm befindet sich so viel Kohlenstoff wie in einem Wald, inklusive Bäumen, Laub und Boden. Ein 1 Hektar Torfmoor mit einem 5 Meter dicken Torfkörper speichert so viel Kohlenstoff wie ein 30 Hektar grosser Wald.
Wissenschaftler schätzen, dass Torfmoore (nur 3 % der weltweiten Landfläche) mehr Kohlenstoff speichern als alle Wälder zusammen. Die Trockenlegung und Nutzung von Torfmooren ist aus Klimasicht doppelt problematisch:
- Die Kohlenstoffbindung (und damit die CO2-Abnahme aus der Luft) wird gestoppt.
- Der Torf wird der Luft ausgesetzt, was seine Zersetzung und die Freisetzung des gespeicherten Kohlenstoffs auslöst. Auf diese Weise werden die Kohlenstoffspeicher durch menschliches Handeln zu Kohlenstoffquellen.
Es gibt verschiedene Indikatoren:
- Botaniker untersuchen in regelmässigen Abständen Flächen in Mooren und notieren die Zusammensetzung der Vegetation. Die Ergebnisse zeigen, dass Pflanzen, die nur unter sehr feuchten Bedingungen leben können, nach und nach von Pflanzen verdrängt werden, die besser mit trockeneren Bedingungen zurechtkommen.
- Das Pfeifengras ist eine besondere Grasart, die nur dort wächst, wo der Wasserstand im Boden schwankt. Sie wird immer invasiver und zeigt damit, dass es immer häufiger zu Trockenperioden im Boden kommt. Dies ist umso problematischer, da dieses Gras über seine Wurzeln aktiv Sauerstoff in den Boden bringt, was den Torfabbau noch weiter verstärkt.
- Die Austrocknung des Torfs führt zu dessen Abbau. Während intakter Torf eine faserige Struktur hat, die ihn stabil macht, wird er immer mehr zu einer Art Brei. Dieser kann der Erosion durch Wasser nicht standhalten.
- 2008 wurden Holztafeln eingebaut, um das Wasser zu halten. Sie steckten damals vollständig im Torf und waren unsichtbar. Nur 15 Jahre später ragen sie mehrere Dutzend Zentimeter aus dem Boden heraus. Dies zeigt deutlich, wie der Torfkörper nach und nach verschwindet.
Les Pontins BE: nach den Arbeiten und 7 Jahre später
In Les Pontins BE wurden ähnliche Arbeiten durchgeführt. Bereits nach zwei Jahren ist die Vegetation zurück und nach 7 Jahren breitet sich das Moor wieder aus. Die Flächen in Rothenthurm werden allerdings sofort mit der vorhandenen Vegetation bedeckt, was in Les Pontins nicht der Fall war, da die passende Vegetation fehlte.