Düdinger Moos Matthias Sorg
02.03.2021 Moore

Moore: Hotspots der Biodiversität sind auch grosse Kohlenstoffspeicher

Gesunde Moore mit einer intakten Biodiversität können Kohlenstoffe binden und so die Klimaerwärmung bremsen. In der Schweiz ist aber eher das Gegenteil der Fall.

Die Klimaerwärmung hat den Kohlenstoffkreislauf unseres Planeten völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Der Mensch reichert die Luft durch seinen Lebensstil und seine wirtschaftlichen und industriellen Aktivitäten künstlich mit Kohlendioxid an. In den letzten 800 000 Jahren war der CO2-Gehalt in der Atmo­sphäre noch nie so hoch wie heute.

Der Treibhauseffekt – ein Phänomen, das für das Leben auf der Erde unverzichtbar ist und dessen Intensität zeitlich schwankt –, ist ausser Kontrolle geraten. Viele Arten sind dadurch bedroht, auch wir Menschen. Der Klimawandel lässt sich nur bremsen, wenn wir die CO2-Konzentration in der Atmosphäre herabsetzen. Kohlenstoffsenken können dazu einen Beitrag leisten.

Gigantische Kohlenstoffspeicher

Ökosysteme, die mehr Kohlenstoff aufnehmen als abgeben, stellen mehr oder weniger erneuerbare und langfristige Kohlenstoffsenken dar. Bäume zum Beispiel binden den Kohlenstoff vor allem während ihres Wachstums. Sie bauen damit ihr Holz und ihre Blätter auf. Ein Teil dieses Kohlenstoffs wird später im Humus des Waldbodens gespeichert, während der Rest bei der mikro­biellen Zersetzung in Form von CO2 wieder in die Atmosphäre gelangt.

In vernässten Lebensräumen wie den Mooren werden abgestorbene Pflanzenteile nicht vollständig abgebaut, sondern sammeln sich in Form von Torf an, der zur Hälfte aus Kohlenstoff besteht. Solange die Torfböden wassergesättigt sind, kommt der Zersetzungsprozess nicht in Gang und der Kohlenstoff bleibt gebunden, manchmal für Zehntausende von Jahren. In einer ungefähr 15 Zentimeter dicken Torfschicht ist die gleiche Menge Kohlenstoff enthalten wie in einem hundertjährigen Wald gleicher Fläche. Somit kann es nicht erstaunen, dass in den Mooren, die nur drei Prozent der globalen Landfläche ausmachen, ein Drittel des terrestrischen Kohlenstoffs gespeichert ist – mehr als in allen Wäldern der Erde zusammen.

Zerstörte Moore setzen CO2 frei

Doch Moore sind extrem verletzliche Lebensräume. Besonders empfindlich reagieren sie auf menschliche Störungen wie Trittbelastung, Drainage, Nährstoffeintrag oder Torfabbau. Als externer Störfaktor wirkt sich auch die Klimaerwärmung negativ aus: Der Temperaturanstieg führt in den Mooren nicht nur zu einem Rückgang der speziellen Biodiversität und zu Verbuschungen, die das Austrocknen noch verstärken, sondern auch zu einem Stillstand der Torfneubildung. Und vor allem wird der im Torf enthaltene Kohlenstoff, der dort seit Tausenden oder sogar Zehntausenden von Jahren gebunden ist, wieder in Umlauf gebracht. Kurzum: Gesunde Moore mit einer intakten Biodiversität können Kohlenstoffe binden, während Moore in einem schlechten Zustand Kohlenstoffe freigeben.

Daher könnten sich die Moorgebiete der Erde bis im Jahr 2100 von einer Kohlenstoffsenke zu einer Kohlenstoffquelle wandeln. In der Schweiz hat diese Umkehrung bereits stattgefunden. Obwohl die Schätzungen auf globaler Ebene noch sehr unsicher sind, geht man davon aus, dass die jährlichen CO2-Emissionen aus beeinträchtigten Mooren bereits fünf bis zehn Prozent der jährlich vom Menschen verursachten CO2-Emissionen aus­machen.

Die Zerstörung von Feuchtgebieten aus Nutzungsgründen ist ebenfalls ein Problem, insbesondere die Umwandlung von Sumpfgebieten in Landwirtschaftsflächen. In der Schweiz wird ein Drittel des Gemüses auf ehemaligen Moorflächen produziert; im Seeland, im Wauwilermoos, im St. Galler Rheintal oder in der Zihl-Ebene. Durch die intensive landwirtschaftliche Nutzung, die in diesen Regionen durch umfangreiche Entwässerungen ermöglicht wurde, werden erhebliche Mengen an CO2 freigesetzt. So kommt es, dass eine Hektare Seeland-Rüebli pro Jahr 30 Tonnen CO2 emittiert.

Pro Natura gibt Gegensteuer

Obwohl das Stimmvolk 1987 die Rothenturm-Initiative annahm und den Moorschutz im Schweizer Recht verankerte und obwohl etliche Zerstörungen in den frühen 1990er-Jahren gestoppt wurden, verschlechtert sich der Zustand der meisten Moore weiter. Der Grund dafür liegt einerseits in den Schäden aus der Zeit vor 1987, vor allem aber in den unzureichenden oder nicht vorhandenen Pufferzonen.

Pro Natura beteiligt sich an verschiedenen Revitalisierungsprojekten. Ein gutes Beispiel dafür ist das Moor von Les Pontins in der Gemeinde St-Imier (BE). Dieses vielfältig strukturierte Gebiet ist im Bundesinventar der Moorlandschaften von nationaler Bedeutung verzeichnet und stellt einen Hotspot der Biodiversität dar.

Hier versucht Pro Natura, den Charakter des Moorgebiets zu erhalten und die Lebensräume der verschiedenen Tier- und Pflanzenarten wiederherzustellen. Dazu mussten früher angelegte Entwässerungsgräben auf einer Länge von einem Kilometer vollständig aufgefüllt und der Hauptabzugsgraben mit Spundwänden verschlossen werden. Nun ist das Moor wieder am Vernässen, damit kann sich die Biodiversität wieder entfalten – und damit bindet das Moor wieder Kohlenstoff.

Weiterführende Informationen

Info

Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.

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