Eine Legislaturbilanz zum Umweltschutz
Wir blicken zurück auf die letzte Legislaturperiode. Dabei werten wir aus, welche Positionen unsere bisherigen Parlamentarierinnen und Parlamentarier in umweltrelevanten Abstimmungen vertreten haben. Wo konnte die Natur profitieren, wo haben wir Menschen sie weiter zurückgedrängt?
Energie- und Klimathemen
In der jetzigen Legislatur haben sich bei Energie- und Klimathemen Gräben gezeigt: Die Förderung der Fotovoltaik wurde weiterhin gebremst. Erst mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der nicht eingetretenen Strommangellage erschien es der politischen Mehrheit plötzlich sinnvoll, erneuerbare Energien möglichst konsequent zu fördern. Die aktuelle Debatte um den Vollzug der Energiewende zeigt jedoch; die Energiezukunft soll laut dem Parlament nicht im Einklang, sondern auf Kosten der Natur gestaltet werden – selbst mit dem Segen aus links-grünen Kreisen.
Auch der Strassenverkehr müsse seinen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten, forderte eine Motion von Jürg Grossen (GLP, BE). Doch aus dem Absenkpfad wurde nichts: Fünf Tage, nachdem die Schweizer Stimmbevölkerung bereits das CO2-Gesetz abgelehnt hatte, versenkte die Ratsrechte auch dieses Vorhaben – mit Stichentscheid des Nationalratspräsidenten Andreas Aebi (SVP, BE).
Zumindest ein Teil der grossen Schäden, die beim Bau von Wasserkraftwerken entstanden sind, musste bisher nach Ablauf der bestehenden und Erteilung einer neuen Konzession kompensiert werden. Als Beurteilungsgrundlage zählte der ursprüngliche Zustand der Natur, also derjenige vor dem Bau des Kraftwerks. Der neue Bundesrat Albert Rösti (SVP, BE), als Nationalrat unter anderem auch noch Präsident des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbands, hat dies mit der Lancierung einer parlamentarischen Initiative aber erfolgreich geändert: Nach deren hauchdünner Annahme im Nationalrat gilt als Grundlage nun der bereits beeinträchtigte Ist-Zustand. -Damit werden ökologische Ersatzmassnahmen in all diesen Fällen weitestgehend hinfällig.
Landwirtschaftspolitik: Eine durchzogene Bilanz
Wir alle müssen uns mehr mit den Fragen: Woher kommen unsere Lebensmittel, unter welchen Bedingungen werden sie angebaut und wie geht es unseren sogenannten Nutztieren? Auch ein Blick auf die Umweltbelastung ist wichtig. Jährlich gelangen:
Ständerat Werner Hösli (SVP) wollte mittels einer Motion erreichen, dass ein Gewässerraum verkleinert werden kann, wenn die Landwirtschaft einen «übermässig grossen Anteil an Kulturland für die intensive Produktion» verlieren würde. Die Festlegung des minimalen Gewässerraums dient der ökologischen Vernetzung revitalisierter Gewässerabschnitte sowie der Sicherstellung der Hochwasserabflüsse und des Geschiebetransports. Der Ständerat stimmte der Motion zu, der Nationalrat aber lehnte sie ab und verhinderte damit eine weitere Verwässerung des geltenden Rechts.
In der ausgewählten Abstimmung geht es um die Frage, ob im Rahmen des Absenkpfades Nährstoffe nur Kraftfutter oder auch Raufutter von den Landwirtschaftsbetrieben zu deklarieren sei. Die Deklaration von Kraftfutter wurde nicht bestritten, denn die -Importe machen 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr aus und bringen damit eine enorme Menge an Nährstoffen in die Schweiz. Der Ständerat schlug vor, die Deklaration von Raufutter (Heu, Gras, -Silage, Mais) nicht in diese Offenlegungspflicht einzubinden. Der Bundesrat war damit nicht einverstanden, weil so ein Baustein in der Transparenz der Nährstoffflüsse fehlen würde. Der Nationalrat unterstützte jedoch das Ansinnen des Ständerats, mit dem Stichentscheid des Ratspräsidenten.
Am 16. März 2021 beschloss nach dem Ständerat auch der Nationalrat, die Debatte der Agrarpolitik nach 2022 (AP 22) zu sistieren. Die Sistierung war ein taktisches Manöver der Agrarlobby. Laut Medienberichten hatte der Bauernverband den wirtschaftsliberalen Kräften im Parlament versprochen, die Konzernverantwortungs-Initiative zu bekämpfen, falls diese die Sistierung mittrügen. Was auch geschah. Vermutlich war das Ziel des taktischen Manövers, vor den Beratungen der AP 22 mit viel Geld die Ablehnung zweier ökologisch motivierter Initiativen (Trinkwasser- und Pestizidfrei-Initiative) und einer tierschützerisch motivierten Initiative (Massentierhaltungsinitiative) zu erwirken. Anschliessend hätten der AP 22 die ökologischen Zähne gezogen werden können. Diese Taktik ist nicht aufgegangen. Inzwischen wurde die Debatte wieder aufgenommen.
Strategie «Aussitzen» — mit fatalen Folgen für die Biodiversität
Vor fast 30 Jahren veröffentlichte das Bundesamt für Umwelt die erste «Rote Liste der gefährdeten Tierarten in der Schweiz» und warnte in ungewohnt schrillem Ton: «Geradezu alarmierend wirkt die Erkenntnis, dass bei 10 der 17 bearbeiteten Tiergruppen bereits mehr als 50 Prozent des Artenbestandes als gefährdet eingestuft werden musste!» Die Warnung bewirkte wenig – und die Krise verschärfte sich.
Im September 2022 beschäftigte sich das Parlament mit der Biodiversitätsinitiative und dem indirekten Gegenvorschlag des Bundesrats (Revision NHG). Dieser wollte im Gesetz verankern, dass 17 Prozent der Landesfläche als -Biodiversitätsschutzgebiet ausgeschieden wird. Die SVP und der Bauernverband wehrten sich vehement dagegen: «Die Bevölkerung hat zurzeit ganz andere Probleme als eine Biodiversitätskrise, die es so nicht gibt», erklärte etwa Michael Graber (SVP, VS).
Mit der Biodiversitätsinitiative kommt gegen Ende der Legislatur endlich Bewegung auf. Der Bundesrat präsentiert dem Parlament im Frühling 2022 einen indirekten Gegenvorschlag. Dieser sieht vor, dass im Gesetz (NGH) «17% der Landesfläche zum Schutz der Biodiversität» verankert werden. Zusammen mit Vernetzungsflächen sollen diese Schutzflächen die -Basis der Ökologischen Infrastruktur bilden. Das Flächenziel 17 Prozent wird vom Nationalrat in der Herbstsession 2022 gestrichen. Trotzdem nimmt eine Mehrheit im Rat die Grundlagen des bundesrätlichen Entwurfs aber an, mit einigen Anpassungen: Anstelle des Flächenziels setzt der Rat auf eine Verbesserung der Qualität in den ausgeschiedenen Gebieten. Der Ständerat wird an der Sommersession 2023 entscheiden, ob er auf den Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative eintritt,
Nachdem das Stimmvolk im September 2020 die Revision des Jagdgesetzes («Abschussgesetz») gebodigt hatte, startete die Umweltkommission des Ständerats im Oktober 2022 einen neuen Versuch. Ihre parlamentarische Initiative verlangt, dass der Wolfsbestand neu «vorausschauend reguliert» wird, ohne Bezug zu erfolgten Schäden an Nutztieren. Wo aufgrund einer hohen Wolfsdichte Schäden zu erwarten sind, soll die Entfernung von Wolfsrudeln oder einzelnen -Tieren -daraus zulässig sein. Immerhin nimmt der Vorschlag eine zentrale Kritik am gescheiterten Gesetzesentwurf auf: Die Kompetenz zur Freigabe der Abschüsse liegt nicht bei den Kantonen, sondern beim Bund. Trotzdem ist diese Revision gemäss SP und Grünen eine «verpasste Chance». Der Nutzen der Wölfe (intakte Schutzwälder, Förderung der Biodiversität usw.) werde komplett unterschlagen und die Landwirtschaft von ihrer Verantwortung für den Schutz der Herden entbunden.