Darum sagt Pro Natura Ja zum Stromgesetz
Die Volksabstimmung zum Stromgesetz («Mantelerlass») am 9. Juni 2024 wird sehr kontrovers diskutiert. Für die einen kommt ein Ja einer Kapitulation der grossen Umweltverbände gleich und läutet das Ende von Natur- und Landschaftsschutz ein. Für die anderen ist die Vorlage zentral für die Energiewende, für die Abkehr von fossilen Energieträgern und Atomkraft und die Erreichung der Klimaziele.
Auch der Pro Natura Delegiertenrat, das höchste Verbandsgremium, hat das Stromgesetz intensiv diskutiert. Klar war: Der Schutz von Natur und Landschaft, Klimaschutz und Energiewende dürfen nicht gegeneinander ausgespielt, die Biodiversitäts- und die Klimakrise können nur gemeinsam gelöst werden.
- Keystone / Valentin Flauraud
Pro und Contra
Viel zu reden gaben die Abstriche am Biotopschutz, die zu hohen Ausbauziele für die Wasserkraft, der mögliche Verzicht auf Ersatzmassnahmen in geschützten Landschaften und der «grundsätzliche Vorrang» der Produktion erneuerbarer Energien in den neu zu definierenden Eignungsgebieten. Damit ermöglicht das Gesetz potenziell massive Eingriffe in Natur und Landschaft. Ob es in der Umsetzung tatsächlich dramatische Folgen haben wird, kann noch nicht abgeschätzt werden. Im Parlament wie auch vom zuständigen Bundesrat wurde immerhin mehrfach bekräftigt, dass die Eingriffe so minimal wie möglich und Ausnahmen bleiben sollen.
Andererseits wurde argumentiert, dass Massnahmen für den Klimaschutz auch für die Biodiversität zentral sind. Hier bringt das Stromgesetz entscheidende Fortschritte, namentlich mit ambitionierten Zielen für den Ausbau der Solarenergie auf bestehender Infrastruktur. Das fordert Pro Natura schon lange, genauso wie die erstmals gesetzlich verankerten Ziele für eine Senkung der Energieverschwendung.
Schliesslich wurde auch diskutiert, ob eine Ablehnung des Mantelerlasses zu einem besseren Gesetz führen würde, also für Natur und Landschaft mit einem Nein am 9. Juni tatsächlich mehr herausgeholt werden könnte. Das im Herbst neu gewählte Parlament hat bereits gezeigt, dass es noch weniger umweltfreundlich ist als das letzte. Eine neue Vorlage dürfte darum den Naturschutz weit weniger berücksichtigen und müsste erst recht bekämpft werden. Das vorliegende Stromgesetz schafft zumindest die Voraussetzung für eine umsichtigere Standortplanung von Wind- und Solaranlagen, als wir sie mit dem aktuellen Wildwuchs à la Solarexpress erleben, der der Natur definitiv schadet.
Ein Ja mit Erwartungen
Mit dem Ja zum Stromgesetz bekennt sich Pro Natura darum einmal mehr zur Energiewende. Es ist aber auch mit klaren Erwartungen an Politik und Branche verbunden: Die gemachten Versprechungen müssen eingehalten, Eingriffe in Natur und Landschaft auf ein Minimum beschränkt werden.
MICHAEL CASANOVA, bei Pro Natura zuständig für die Klima-, Energie- und Gewässerschutzpolitik
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Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.
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