«Das Pendel hat umgeschlagen»
Zwei Stunden Zeit nimmt sich Bundesrat Beat Jans für das Treffen mit dem Pro Natura Magazin. An einem seiner raren freien Wochenendtage. Jans schlägt einen Spaziergang in den Langen Erlen vor, einem ehemaligen Auenwald, der sich entlang der kanalisierten «Wiese» von Riehen bis zur Stadtgrenze Basels zieht. Beat Jans kommt mit seiner Hündin Jua zum vereinbarten Treffpunkt. «Heute wird sie sich etwas gedulden müssen», erklärt er und streicht Jua lächelnd übers Fell. «Meist sind wir zwei joggend unterwegs.»
Lehrreiche Lehrjahre
Beat Jans führt uns flussaufwärts zum «Entenweiher» in Riehen. Das Naturidyll liegt nur wenige hundert Meter entfernt von der kleinen Arbeitersiedlung, in der Jans aufgewachsen ist. An freien Nachmittagen sei er oft mit Freunden durch die Langen Erlen gezogen, erzählt er, auch mit der Pfadi habe er etliche Stunden in diesem Wald verbracht. «Diese Erlebnisse haben mich geprägt.» Eine noch engere Verbindung mit der Natur habe er während seiner Ausbildung zum Landwirt gehabt, fügt Jans an. «Ich war fast täglich draussen auf den Feldern oder im Wald. Besonders lehrreich und inspirierend war mein zweites Lehrjahr, das ich auf einem Biobetrieb in Buus absolvierte. Dort ging man sehr achtsam und sorgfältig mit der Natur um.» Diese Sorgfalt ist, zumindest aus dem Bundeshaus, verschwunden. Die Produktion steht heute wieder über allem, auf die Natur wird kaum noch Rücksicht genommen. Jüngst strich der Nationalrat das Minimalziel von 3,5 Prozent Biodiversitätsförderflächen im Ackerland; im Vorjahr verweigerte sich der Ständerat einer Diskussion über den Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative. Wie bewertet Bundesrat Jans diese Entwicklung? «Das Pendel hat umgeschlagen», sagt er. Das sei aber kein Grund, aufzugeben. «Man muss dranbleiben und gute Lösungen finden.»
«Motivations-Booster» Pro Natura
Zuversicht schöpft er aus seiner Zeit bei Pro Natura. Sie habe ihn gelehrt, dass mit beharrlicher und konstruktiver Arbeit Erfolge möglich sind. Als Beispiel führt Jans die Renaturierungen auf: «Pro Natura hat viele neue, artenreiche Gebiete geschaffen und die Kantone dazu gebracht, dass auch sie Renaturierungen an die Hand nehmen.» Grosse Erfolge habe es auch auf politischer Ebene gegeben, sagt Jans. Dazu zählt er das teilrevidierte Raumplanungsgesetz zur Eindämmung der Zersiedelung, das Gentech-Moratorium und die Bewahrung des Verbandsbeschwerderechts.
Beat Jans kam 1995 zu Pro Natura, kurz nach dem Abschluss seines ETH-Studiums in Umweltwissenschaften. Pro Natura suchte damals einen Mitarbeiter, der Projekte zur Förderung der Natur im Landwirtschaftsgebiet und in landwirtschaftlich genutzten Schutzgebieten vorantreibt. «Eine meiner ersten Auf gaben führte mich ins Naturschutzgebiet ‹Hinteres Lauterbrunnental›, wo ich mit den Bauern Verträge für die Pflege der Alpweiden aushandeln sollte», erinnert sich Jans. Keine einfache Aufgabe für einen jungen Unterländer. Aber Jans zeigt schon damals, dass er es mit allen kann. Sein Charme und Humor öffnen ihm Türen, seine Begeisterungsfähigkeit steckt an. Und wenn nötig, findet Beat Jans fast immer einen kreativen Kompromiss. Hinzu kommt die grosse Hartnäckigkeit, mit der er seine Ziele verfolgt.
Rückschläge und Kritik steckt er erstaunlich locker weg. Jans Talente entgehen auch der Geschäftsführung von Pro Natura nicht: Sie überträgt ihm die Leitung der neugeschaffenen Abteilung «Politik und Internationales» und befördert ihn in die Geschäftsleitung. Jans soll die politische Schlagkraft von Pro Natura stärken und für die Natur lobbyieren. Das macht er mitunter auf frechdreiste Art: 2001 verschafft er sich als Manager verkleidet Zugang in den abgeriegelten Bereich des WEF in Davos und verteilt dort Flugblätter.
- Raphael Weber
Vom Lobbyisten zum Politiker
Die erfolgreiche Lobbyarbeit für Pro Natura habe ihn darin bestärkt, sich politisch zu engagieren, sagt Jans, der vergleichsweise spät in die Politik eingestiegen ist, dann aber einen rasanten Aufstieg hinlegte. Als er 2010 für die SP in den Nationalrat gewählt wird, gibt er die Stelle bei Pro Natura auf – und zeigt so, dass er die vom internationalen Netzwerk Friends of the Earth erwünschte Gewaltenteilung ernst nimmt. Im Nationalrat und später als Regierungspräsident des Kantons Basel-Stadt setzt sich Jans vehement für den Klimaschutz ein. Nun stünden wir vor einer wegweisenden Entscheidung, sagt er mit Blick auf die «Stromgesetz»Abstimmung. «Dieses Gesetz ist wichtig für den Klimaschutz, denn wir werden damit unabhängiger von fossilen Energieträgern.» Wichtig sei, dass Eingriffe in die Landschaft wieder rückgängig gemacht werden könnten, damit die Natur dereinst wieder einziehen kann. Dass sie dazu fähig ist, daran zweifelt der unerschütterliche Optimist Beat Jans nicht.
NICOLAS GATTLEN ist Reporter des Pro Natura Magazins.
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Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.
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