Bienen auf Acker-Witwenblumen Matthias Sorg
21.05.2024 Biodiversitätskrise

Wenn die Natur gewinnt, gewinnen wir alle!

Am 22. September stimmen wir über die Biodiversitätsinitiative ab. Warum wir diese Abstimmung unbedingt gewinnen müssen – und was Sie dazu beitragen können.

Schon im März lockte uns der Frühling d­ieses Jahr mit zartem Grün, Blütenpracht und morgendlichem Vogelgesang hinaus in die Natur – überraschend früh. Aber nicht nur der Zeitpunkt des alljährlichen Naturerwachens hat sich verschoben: Auch die Vielfalt der Pflanzen und Tiere, die mit der wärmeren Jahreszeit wieder zu sehen oder zu hören sind, hat sich dramatisch ver­ändert. Während manche Mitmenschen ein paar fehlende Wildbienen, Libellen, Käfer oder Schmetterlinge vielleicht nicht ver­missen, sprechen die «Roten Listen» des Bundesamts für Umwelt eine deutliche Sprache: In der Schweiz sind über ein ­Drittel aller einheimischen Tier- und Pflanzenarten bedroht oder bereits ausgestorben. Das ist eine Gefahr nicht nur für die Natur, sondern vor allem für uns Menschen. Denn die Natur ist unsere Lebensgrundlage.

Hier setzt die Biodiversitätsinitiative an, welche von Pro Natura gemeinsam mit ­anderen Verbänden lanciert wurde und die nun am 22. September dieses Jahres zur Abstimmung kommt. Sie will Lösungen ­anstossen, um den Zustand der Biodiver­sität in der Schweiz zu verbessern. Bund und Kantone sollen mit gezielten, zukunftsweisenden Massnahmen dafür sorgen, dass die erforderlichen Flächen und Mittel für die Biodiversität zur Verfügung stehen. ­Natur und Landschaft sollen geschont ­werden – auch ausserhalb von Schutzgebieten. Dazu müssen die ganze Gesellschaft und alle Wirtschaftssektoren beitragen. Denn die Biodiversitätskrise betrifft alle.

Biodiversität sichert die Ernährung

Artenvielfalt, genetische Vielfalt und funktionierende Ökosysteme sind nebst Boden und Wasser die wichtigsten Voraussetzungen für eine ertragreiche und hochwertige Lebensmittelproduktion. So hängt etwa die Fruchtbarkeit des Bodens von Boden­lebewesen wie Asseln, Pilzen und Regenwürmern ab. Bienen und andere Insekten sichern die Bestäubung vieler Kultur­pflanzen – ohne sie gäbe es keine Kirschen, keine Erdbeeren, keine Zwiebeln. Wieder andere halten Schädlinge in Schach. Artenreiche Lebensräume sind zudem widerstandsfähiger gegen den Klimawandel und passen sich besser und schneller neuen ­klimatischen Bedingungen an.

Umgekehrt kann die Landwirtschaft viel zum Schutz und zur Förderung der ­Biodiversität beitragen – und tut dies auch bereits. Massnahmen können jedoch nur nachhaltig greifen, wenn sie nicht isoliert getroffen werden. Sonst drohen sie durch wirtschaftlichen Druck, Rationalisierungen und Mechanisierungen wieder zunichte gemacht zu werden. Es braucht Gesamtkonzepte, welche weiter in die Zukunft reichen, um unsere Lebensgrundlagen zu sichern.

Biodiversität macht gesund

Von zentraler Bedeutung ist die biologische Vielfalt auch für die Gesundheit. Nicht nur, weil eine vielfältige Natur für viele Menschen Erholung und Ausgleich bedeutet und das Wohlbefinden stärkt. Sie hat noch Handfesteres zu bieten: 80 Prozent aller registrierten Arzneimittel und über 70 Prozent aller Krebsmedikamente werden aus Pflanzen gewonnen oder sind von der Natur ­inspiriert. Vom Erhalt der Artenvielfalt und der genetischen Vielfalt hängt wesentlich ab, ob die pharmazeutische Forschung auch in ­Zukunft lebensrettende Medikamente ­entwickeln kann. Die Arzneimittelbranche – in der Schweiz ein wichtiger Wirtschaftszweig – hat also grösstes Interesse, sich für den Erhalt der Biodiversität einzusetzen.

Biodiversität schützt das Klima

Die Frage, ob es noch gelingt, die Klima­erwärmung zu stoppen, bewegt uns alle und besonders die Jugend. Oft wird dabei vergessen, welch wichtige Rolle die Bio­diversität in vielen klimarelevanten ­Prozessen spielt: Intakte Ökosysteme wie Moore und Wälder sind natürliche ­Speicher von CO²; die Renaturierung von Feuchtgebieten und der Erhalt von naturnahen Wäldern tragen kostengünstig zum Klimaschutz bei. Kurz: Wenn wir die ­nötigen Flächen und Mittel sichern, um Ökosysteme intakt zu halten oder wiederherzustellen, hilft dies nicht nur gegen die Biodiver­sitätskrise, sondern auch gegen den ­Klimawandel.  

Engagieren Sie sich mit uns!

Nahrungsmittelproduktion, Gesundheit, Klimaschutz – das sind nur einige Gründe, warum der Schutz unserer Natur kein Selbstzweck, sondern eine dringende ­Notwendigkeit ist, um unsere Lebensgrundlagen zu sichern. Trotzdem ist vielen Mitmenschen – und leider auch manchen politischen Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft, der Landwirtschaft und des Gewerbes – noch nicht klar, was auf dem Spiel steht. Sie davon zu überzeugen und die Weichen zu stellen für einen besseren Schutz der Biodiversität, ist in den nächsten vier Monaten die Aufgabe all jener, ­welche die Dringlichkeit erkannt haben.

Helfen Sie uns, die Abstimmung am 22. September zu gewinnen – damit alle ­gewinnen!

STELLA JEGHER leitet bei Pro Natura die Abteilung Politik und Internationales

Weiterführende Informationen

Info

Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.

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