David Gerke bezieht Stellung für den Wolf
«Ja, der Wolf ist ein faszinierendes Tier», sagt er, «aber eben nur ein Tier wie der Mensch und Millionen andere.» Gerke interessiert sich viel mehr für das Drumherum. So wäre er auch Geschäftsführer der Gruppe Reh Schweiz, würde Bambi Konflikte provozieren wie der Wolf.
Dass Gerke sich für das Zusammenleben von Mensch und Wolf einsetzt, ist aber auch dem Zufall geschuldet. Denn als sich der damals 15-jährige David 2001 für Politik zu interessieren begann, ging das Bild vom toten Bergeller Wolf durch die Medien. Er hatte zuvor Dutzende Schafe gerissen und wurde zum Abschuss freigegeben. Heute gibt es in der Schweiz nur wenige Personen, die an das Wolfswissen des Landwirts und Schäfers, Jagdwissenschaftlers, Jägers und grünen Kantonsrats im Kanton Solothurn herankommen. Unter Medienleuten heisst es, er gebe pragmatisch Auskunft, Polemik sei nicht seine Sache. «Wobei Polemik auch mir durchaus Spass macht», korrigiert Gerke, «mir ist es aber wichtig, differenzierter zu sein als das Gegenüber.» Gerke wird auch gerne angefragt, weil er den Konflikt nicht scheut und dem Druck nicht weicht.
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Henrik Aija
Während Naturschützer früher Tiere unter Schutz stellten, bekämpft Gerke, Vorstandsmitglied Pro Natura Solothurn, heute ein neues Phänomen: die Lockerung ihres Schutzes. Das tut er in Bundesbern genauso wie auf der Alp nach einem Wolfsriss, was angesichts der emotional aufgeladenen Situation viel Mut erfordert. Gerke steht hin, hört zu und bringt seine Argumente ein. Sein grosses Plus; er ist an beiden Orten glaubwürdig: Auf der Alp versteht er den Schmerz des Hirten, in der Politik spricht er so, dass seine Sätze den Weg in die revidierte Jagdverordnung finden.
Die Gruppe Wolf Schweiz ist eine Hybridorganisation von Tier und Naturschutz. Für sie ist der Wolf keine rein biologische Frage, sondern eine kulturelle. Sie dreht sich genauso um Landwirtschaft, Ökologie und Ökonomie wie um Biologie, Rechtliches und Soziales.
Diese Themenvielfalt gefällt David Gerke. Seit 2022 ist er Geschäftsführer des Vereins, zuvor hat er ihn seit 2005 ehrenamtlich präsidiert. Man kann sagen: Gerke ist die Gruppe Wolf Schweiz, er hat ihre Aufgaben und Ziele seinen Interessen und Schwerpunkten angepasst.
«Naturschutz ist für mich Prozessschutz», sagt Gerke, «wir sollten die Natur nicht konservieren, sondern machen lassen.» An der Rückkehr des Wolfes in die Schweiz mag er besonders, dass das Tier Prozesse in Gang bringt. Der Wolf schliesst Kreisläufe und stösst neue an – in der Natur, in der Gesellschaft, in den Köpfen.
BRIGITTE WENGER arbeitet als freischaffende Journalistin.
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Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.
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