Laurent Guidetti denkt und plant den Raum neu
Ob er mehr Architekt oder mehr Umweltschützer ist, weiss er nicht. «Diese Frage hat für mich noch nie Sinn gemacht, weil ich immer der Ansicht war, dass unser Beruf in einem grösseren Kontext als nur dem Bauen steht», erklärt er.
2021 veröffentlichte Laurent Guidetti mit seinen Kollegen vom Büro Tribu Architecture in Lausanne das «Manifeste pour une révolution territoriale», eine klare Stellungnahme, die allen, die mit räumlichen Fragen zu tun haben, Werkzeuge liefert, um nachzudenken und rasch zu handeln.
Laurent Guidetti vertritt in diesem Text die Überzeugung, dass die Warnsignale unseres überhitzten Planeten eine sofortige und angemessene Reaktion erfordern, auch in Bezug auf die Art und Weise, wie wir mit dem Raum umgehen und diese nicht erneuerbare Ressource nutzen. «Im Bereich Städtebau und Architektur hat man in den letzten zwanzig Jahren nach Lösungen für eine nachhaltige Raumplanung gesucht. Oft sind dabei unbedeutende Greenwashing-Projekte mit Begriffen wie Transformation und Transition gerechtfertigt worden», erläutert der Aktivist.
Er hat konkrete Vorschläge zu allen möglichen raumbezogenen Fragen: vom Wohnungsbau bis zur Landwirtschaft, von ökonomischen Modellen für die Bauproduktion über die Lebensstile und die Abfallwirtschaft bis zur Mobilität. Seine Ideen setzt er auch selbst um, zum Beispiel als Mitgründer der Wohnbaugenossenschaft Le Bled im Lausanner Quartier Les Plaines-du-Loup, wo sich mittlerweile auch seine Wohnung und sein Büro befinden.
Wichtig ist ihm, dass sich die Raumeinheiten eines Gebäudes verändern lassen, um den unterschiedlichen Lebensmustern gerecht zu werden. Und er zeigt auch gleich, wie sich sein eigener Wohnraum an die Entwicklung der Familie anpassen könnte: «Wir haben eine Doppelwohnung. Wenn die Kinder ausziehen, können wir eine der beiden Einheiten abgeben und unsere Wohnfläche wieder verkleinern. Das Gebäude verfügt aber noch über andere Lösungen, wie zum Beispiel Räume mit zwei Türen, von denen eine auf den Flur führt. Ein solcher Joker-Raum könnte das Zimmer eines selbstständigen Jugendlichen oder einer älteren Person werden, die man bei sich aufnimmt.» Ein weiteres Projekt besteht im Sammeln und Kompostieren der menschlichen Ausscheidungen, um sie schliesslich wieder der Erde zurückzugeben.
Fühlt sich Laurent Guidetti als Pionier? Das kann er nicht beantworten. Es sind vor allem die Menschen, die täglich mit ihm zu tun haben, seine Kolleginnen und Kollegen und seine Familie, die sein konsequentes Engagement seit über 30 Jahren schätzen: seinen Willen, etwas Konkretes für die Gesellschaft, die nächste Generation und das Gemeinwohl zu tun – und auch die Begeisterung, mit der er alles anpackt, obwohl er eher pessimistisch in die Zukunft blickt.
FLORENCE KUPFERSCHMID-ENDERLIN, Co-Chefredaktorin Pro Natura Magazin
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Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.
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