Wildnis – mehr Freiraum für die Natur!
© Benoît Renevey
Viele Tier-, Pflanzen- und Pilzarten benötigen für ihr Überleben Naturräume, wo sich der Mensch zurückhält und nicht in die Entwicklung eingreift. Ohne Wildnis leidet die Artenvielfalt. Ökosysteme und Lebensgemeinschaften verschwinden. Die Folgen sind nicht alle absehbar, denn die natürliche Dynamik wilder Gebiete birgt noch manches Geheimnis. Doch die Wildnis fasziniert nicht nur die Wissenschaft. Sie ist auch ein Ort der Inspiration und Erholung.
Lernen Sie mehr über die Wildnis in der Schweiz und entdecken Sie Wildnisgebiete auf unserer Karte. Planen Sie Ihren nächsten Ausflug oder verwandeln Sie Ihren Garten in ein wertvolles Stück urbane Wildnis.
- Benoît Renevey
Die letzten Wildnisgebiete der Schweiz
Komplett unberührte Urlandschaften gibt es in der Schweiz und in Mitteleuropa praktisch keine mehr. In den Alpen oberhalb der Baumgrenze finden wir noch grössere zusammenhängende Gebiete, die nur wenig vom Menschen beeinflusst sind. Auch im Jura, in den Voralpen und im Mittelland gibt es wilde Gebiete: ehemals genutzte Wälder, Flussauen oder Moore.
Diese letzten Wildnisgebiete müssen wir erhalten und bewusst in Ruhe lassen, damit sie sich ungestört entwickeln können – in erster Linie für die Biodiversität aber auch für den Menschen.
Wissenschaftler/-innen der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) haben folgende Karte in Zusammenarbeit mit Pro Natura und Mountain Wilderness entwickelt. Sie stellt die Qualität der Wildnisgebiete und der Gebiete mit Potenzial für freie Naturentwicklung in der Schweiz dar:
- Dunkel-/mittelblaue Flächen: Sehr wilde und wilde Gebiete. Diese liegen in den Alpen und in der Südschweiz. Wildnisqualität: 12-20
- Hellblauen Flächen im Jura, in den Voralpen und im Mittelland: Wilde Räume, die sich für eine freie Naturentwicklung eignen. Wildnisqualität: 8-11
- Keine Färbung: Vom Menschen stark veränderte Gebiete. Wildnisqualität: < 8
Geben Sie Ihre Postleitzahl oder Ihren Wohnort ein oder zoomen Sie in Ihre Wunschregion. Entdecken Sie wilde Räume in Ihrer Nähe. Gehen Sie raus und geniessen Sie die Natur.
Die Wildniskarte basiert auf dem 100 mal 100 Meter Raster der Arealstatistik und stellt eine Kombination folgender vier Wildniskriterien dar: Natürlichkeit, Menschliche Einflüsse, Abgeschiedenheit, Rauheit der Topografie.
Alle vier Kriterien wurden mit Geodaten berechnet. Fachpersonen haben die Analyse verfeinert und festgelegt, ab welchem Wert ein Gebiet Potenzial für freie Naturentwicklung aufweist, auch wenn es nicht die hohe Wildnisqualität der grossen naturnahen Landschaften im Alpenraum erreicht.
Wilde Bergwelt — Aushängeschild der Schweiz
Die grössten naturnahen Gebiete Mitteleuropas liegen in den Alpen. In den letzten 150 Jahren haben Bauprojekte des Tourismus, der Energiewirtschaft und des Verkehrs viele wertvolle Naturlandschaften zerstört. Und sie bedrohen weitere Wildnisgebiete. Pro Natura setzt sich vehement dafür ein, dass keine bisher unberührten Flächen mehr geopfert werden.
Sport und Freizeit in der wilden Natur sind wichtig und sollen uns weiterhin offen stehen. Damit Tiere und Pflanzen dabei nicht auf der Strecke bleiben, müssen wir gewisse Spielregeln respektieren. Pro Natura engagiert sich mit Sensibilisierungs- und Besucherlenkungsprojekten für naturverträgliche Freizeitaktivitäten.
Helfen Sie mit und informieren Sie sich hier für den nächsten Besuch in der Wildnis.
Pro Natura Ausflugstipps
- Das Pro Natura Zentrum Aletsch VS liegt direkt am geschützten Aletschwald und ganz nah am Aletschgletscher, dem grössten Wildnisgebiet der Schweiz.
- Das Pro Natura Zentrum Lucomagno TI ist der ideale Ausgangsort zu den wilden Landschaften rund um den Lukmanierpass.
- Das Pro Natura Schutzgebiet Hinteres Lauterbrunnental BE ist ein wildes Juwel abseits der Massen mitten im Berner Oberland.
Wilde Wälder, Flüsse und Moore — Vielfalt für Natur und Mensch
Auch in ehemals forstwirtschaftlich genutzten Wäldern schlummert die Wildnis. Wilde Wälder bieten Lebensraum für Spechte und Käuze, für Wildkatzen, Fledermäuse und ein Heer von Kleintieren.
Wenn wir Flüsse stauen oder kanalisieren, gehen vielfältige Naturlandschaften verloren. Flussläufe mit breitem Bett und zeitweise überfluteten Schwemmebenen sind die «Regenwälder Mitteleuropas». Dort erblüht üppige Wildnis.
Über rund 10 000 Jahre hinweg sind in der Schweiz Moore herangewachsen. Innerhalb weniger Jahrhunderte hat der Mensch 90% dieser herbschönen Wildnis zerstört. In den verbleibenden 10% lebt ein Viertel der bedrohten Pflanzenarten der Schweiz. Es ist dringend nötig, die Moore zu revitalisieren. Damit retten wir stark bedrohte Arten.
Pro Natura Ausflugstipps
- Im Wildnispark Zürich im Sihlwald ZH können Sie einen beeindruckenden Buchen-Naturwald direkt vor den Toren der Stadt erleben.
- Am Bibersee bei Marthalen ZH haben Biber die Landschaft komplett umgestaltet – ein wertvolles Stück Wildnis mitten im Mittelland.
- Im Pro Natura Schutzgebiet Les Pontins BE lässt sich beobachten, wie sich ein renaturiertes Moor ungestört entwickelt.
Naturgärten und «wilde Ecken» – Biodiversität in Dorf und Stadt
Gärten, Parks, Friedhöfe, Böschungen und Brachen bieten Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Doch grosse Grünflächen sind im Siedlungsraum oft knapp. Daher ist es umso wichtiger, mit vielen kleinen Flächen die Biodiversität zu fördern und der Natur im Garten und auf dem Balkon Raum zu lassen. Viele kleine, vernetzte Flächen können zusammen wilden Freiraum für die Natur bieten.
Manchmal ist Wildnisförderung ganz einfach: Wenn wir im eigenen Garten eine «wilde Ecke» zulassen, können wir dort einen Hauch von Wildnis erleben. Pflanzen, Pilze und Tiere werden von der «Mikrowildnis» Besitz ergreifen. Schmetterlinge und Wildbienen tauchen auf, Spinnen spannen ihre Netze, ein Igel baut sein Winterlager unter dem Blätterhaufen, Eidechsen und Blindschleichen ziehen im Steinhaufen ein, Pilze und Moos wachsen auf dem herumliegenden Holz. Geben Sie der Wildnis auch rund ums Haus Raum!
Pro Natura Praxistipps
- Jan Gürke
Das tut Pro Natura
Schutzgebiete sichern
Pro Natura und ihre Sektionen sichern über 700 Naturschutzgebiete in der Schweiz. Dazu gehören auch viele Gebiete, die bewusst für den Erhalt der Wildnis und die Förderung freier Naturentwicklung geschützt werden. Das sind zum Beispiel Naturwaldreservate, in denen keine Bäume gefällt werden. Wir regenerieren ehemals genutzte Moore und lassen dann der Natur freien Lauf. Bei geschützten Flussauen übernimmt oft der Biber die gestalterische Arbeit.
Naturverträgliches Verhalten fördern
Pro Natura setzt sich für neue Naturerlebnispärke und Nationalpärke ein, in deren Kernzonen sich die Natur ungestört entwickeln kann. Wir fördern naturverträgliches Freizeitverhalten, indem wir gemeinsam mit Partner- und Nutzerorganisationen Verhaltensregeln für das Erleben von naturnahen Landschaften erarbeiten und bekannt machen.
Engagement für Biodiversität und wertvolle Landschaften
Auf politischer Ebene engagiert sich Pro Natura für mehr Biodiversität und für wertvolle Landschaften.
Unsere Volksinitiativen für die Biodiversität und für den Erhalt naturnaher Landschaften