Wolf und Jungwolf im Wald istockphoto/Saipg
25.10.2024 Artenschutz

Appell an Bund und Kanton: Auslöschung des Nationalparkrudels jetzt stoppen

Die vom Kanton Graubünden verfügte Tötung des gesamten Nationalparkrudels, die per 1. November möglich ist, lässt jegliches Augenmass vermissen. Der rechtliche Spielraum wird mehr als ausgereizt, ohne dass Alternativen geprüft oder der Forschungsbedarf und die natürliche Entwicklung im Nationalpark berücksichtigt wurden. Die Naturschutzorganisationen appellieren an Bund und Kanton, ihre wissenschaftliche, ethische und politische Verantwortung im Umfeld des Nationalparks wahrzunehmen und gemeinsam verhältnismässige Lösungen zu suchen.

2023 hat sich zum ersten Mal ein Wolfsrudel im Schweizerischen Nationalpark (SNP) etabliert. Seither ist das Rudel Teil eines Forschungsprojektes des SNP, wo seit über 100 Jahren die Entwicklung der Natur ohne menschliche Eingriffe studiert wird. Der Wolf gehört zur einheimischen Fauna des Nationalparks. Seine Rückkehr ermöglicht es, den Einfluss von Beutegreifern auf die einheimische Natur zu erforschen und Erkenntnisse für den künftigen Umgang mit Wald, Wild und Wolf zu gewinnen. 

Dem Nationalpark gerecht werden 

Im August haben vermutlich abgewanderte Einzeltiere des Nationalparkrudels ausserhalb des Parks zwei Rinder gerissen. Beide Tiere waren weniger als ein Jahr alt und es ist unklar, inwieweit die verursachenden Wölfe überhaupt (noch) zum Rudel gehören. In der Folge hat der Kanton Graubünden entschieden, das ganze Nationalparkrudel auszulöschen, sobald die Tiere das Gebiet des Parks verlassen. Damit wird der aktuelle rechtliche Spielraum mehr als nur ausgereizt: Ohne Rücksicht auf die Sonderstellung des Nationalparks, ohne Abwägung der Interessen und ohne Bemühungen um alternative Lösungen. 

Verhältnismässigkeit ist gefordert 

Beim jetzigen Vorgehen des Kantons stellt sich die Frage nach der Verhältnismässigkeit von Eingriffen in den Wolfsbestand. Einerseits fachlich: Was bringen Abschüsse im Hinblick auf Schäden an Nutztieren wirklich? Wird die Rolle des Wolfs im Ökosystem Wald genügend berücksichtigt? Gibt es Alternativen (Herdenschutz, Vergrämung, oder notfalls ein gezielter Abschuss nur der schadenstiftenden Wölfe durch die Wildhut), die rasch umsetzbar sind? Andererseits rechtlich: Die Frage nach der juristischen Verhältnismässigkeit lassen die Naturschutzorganisationen bereits mit ihren letztjährigen Beschwerden zu den Verfügungen betreffend die Rudel Stagias (Graubünden) sowie Nanztal und Hauts-Forts (Wallis) von den Gerichten prüfen. Es geht unter anderem um die Frage, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um ganze Rudel abzuschiessen. Weil diese grundsätzlichen Fragen gerichtlich bereits geprüft werden, verzichten die Organisationen auf eine Beschwerde beim Nationalparkrudel. 

Der einzige Nationalpark der Schweiz muss der Ort sein, wo Lösungen für das Zusammenleben von Mensch und Natur möglichst ohne Gewehr gefunden werden. Die Naturschutzorganisationen appellieren daher an Kanton und Bund, einen Schritt zurückzutreten und gemeinsam mit dem Nationalpark, der Region und den betroffenen Alpbewirtschaftenden eine Lösung mit Augenmass zu finden, die dem Nationalpark gerecht wird.  

​​​Weitere Informationen:

Kontakt : 

  • Pro Natura: Nathalie Rutz, Medienverantwortliche, 079 826 69 47, @email  
  • WWF Schweiz: Jonas Schmid, Mediensprecher Biodiversität, 079 241 60 57, @email 
  • BirdLife Schweiz: Raffael Ayé, Geschäftsführer, 076 308 66 84, @email 
  • Gruppe Wolf Schweiz: David Gerke, Geschäftsführer, 079 305 46 57, @email 

Weiterführende Informationen

Info

Gemeinsame Medienmitteilung von Gruppe Wolf Schweiz, BirdLife Schweiz, WWF Schweiz und Pro Natura