Biene auf Blume Matthias Sorg
13.08.2024 Biodiversitätskrise

Der Bundesrat will unsere Lebensgrundlagen nicht ausreichend sichern

Heute Dienstag präsentierte Bundesrat Albert Rösti auf einer Medienkonferenz seine Argumente zur Biodiversitätsinitiative, die am 22. September zur Abstimmung kommt. Bundesrat Albert Rösti geht an der Medienkonferenz nicht auf den alarmierenden Zustand der Biodiversität in der Schweiz ein und beschönigt die Wirkung der bisherigen Massnahmen. Unerwähnt bleibt ausserdem, wie Zersiedelung, Versiegelung und neue Bauten der Landschaft und unserem baukulturellen Erbe stark zugesetzt haben.

Unsere Natur ist unsere Lebensgrundlage – Bestäubung, fruchtbare Böden, sauberes Wasser, Schutz vor Naturgefahren, Klimaregulierung. Doch der Biodiversität in der Schweiz geht es schlecht. Laut dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) sind über ein Drittel unserer Tier- und Pflanzenarten gefährdet oder bereits ausgestorben. Rund die Hälfte der natürlichen Lebensräume ist bedroht.

Eine Trendwende ist notwendig. Der Bundesrat, die Kantone und der Nationalrat sprachen sich darum für einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative aus, um unsere Lebensgrundlagen zu sichern. Eine knappe Mehrheit des Ständerats verweigerte die Diskussion und ignoriert damit die Bedrohung für unsere Umwelt und für zukünftige Generationen.

Gemäss Bericht «Umwelt Schweiz 2022» sind die Massnahmen ungenügend

An der heutigen Medienkonferenz sagt Bundesrat Albert Rösti, dass bereits viel getan wird, und verweist auf bestehende Gesetze, den Aktionsplan Biodiversität, die zur Verfügung stehenden Mittel und private Initiativen. Doch die Realität und die wissenschaftlichen Fakten sagen anderes aus.

Laut dem Bundesratsbericht «Umwelt Schweiz 2022» sind die bisherigen Massnahmen nämlich unzureichend: «Fördermassnahmen zeigen zwar lokal Wirkung, doch die Biodiversität ist weiterhin in einem schlechten Zustand und nimmt weiter ab. (…) Die punktuellen Erfolge können die Verluste, welche vorwiegend auf mangelnde Fläche, Bodenversiegelung, Zerschneidung, intensive Nutzung sowie Stickstoff- und Pflanzenschutzmitteleinträge zurückzuführen sind, nicht kompensieren.»

Auch die Ziele der Strategie Biodiversität Schweiz werden mit den bisherigen Massnahmen nicht erreicht, wie die kürzlich publizierte Wirkungsanalyse zeigt: «… der Allgemeinzustand der Biodiversität in der Schweiz weiterhin unbefriedigend. Die Ziele der Strategie Biodiversität Schweiz (SBS) werden mehrheitlich nicht erreicht.»

Bundesrat publiziert den neuen Aktionsplan Biodiversität erst nach der Abstimmung

Die vom Bundesrat bis Mitte 2024 versprochene Publikation des «Massnahmenplans für die zweite Umsetzungsphase» (2025-2030) wurde jedoch auf nach der Abstimmung verschoben. Dies ist auch aus demokratiepolitischen Gründen problematisch. Ohne Klarheit vor der Abstimmung bleibt den Stimmbürgern nur die Wahl, die sprichwörtliche Katze im Sack zu kaufen oder mit einem Ja zur Biodiversitätsinitiative sicherzustellen, dass Bund und Kantone unsere Lebensgrundlagen und jene unserer Kinder und Enkelkinder besser zu schützen. Alle Zeichen deuten aber darauf hin, dass der neue Aktionsplan noch viel weniger wirksam sein wird als der bisherige.

Vorgesehene Mittel für die Biodiversität wurden vom Bundesrat gestrichen

Um die bestehenden gesetzlichen Grundlagen umsetzen zu können, muss der Bund die dazu erforderlichen Mittel bereitstellen. Doch genau da hapert es. Deswegen sind viele Biotope von nationaler Bedeutung, die Naturperlen der Schweiz, nicht fachgerecht unterhalten. Bei 75 Prozent der nationalen Biotope ist der Schutz heute ungenügend. Die Finanzierung des Schutzes der Biotope, welche über die Programmvereinbarungen sichergestellt wird, ist auch gemäss Bundesrat mangelhaft und nicht gesetzeskonform.

In der Dezembersession 2023 verabschiedete das Parlament mit dem Finanzplan 2025-2027 eine schrittweise Erhöhung der Mittel um 40 Mio., 60 Mio. und 81 Mio. CHF. Wenige Wochen später machte der Bundesrat diesen Entscheid des Parlaments rückgängig: In der Botschaft zu den Programmvereinbarungen im Umweltbereich (2025-2028) streicht er die zusätzlichen CHF 276 Mio. für Natur und Landschaft. Das Geschäft 23.081 wird an der Sitzung der UREK-N vom 12. und 13. August behandelt.

Schutz der Biodiversität, Klimaschutz und Landschaftsschutz gehen Hand in Hand

Der Bundesrat erklärte 2022, «dass Biodiversitätsverlust und Klimaveränderung eng miteinander verknüpft sind.» Tatsächlich sind Massnahmen zur Bewältigung dieser beiden Krisen möglichst zu kombinieren. Darum haben sich die Umweltorganisationen für das Stromgesetz engagiert. Die gleichen Organisationen setzen sich nun auch für ein JA zur Biodiversitätsinitiative ein. Ein Rechtsgutachten vom 13. Mai 2024 zeigt, dass die Annahme der Initiative keinen Einfluss auf die Umsetzung des Stromgesetzes hat.

Die Biodiversitätsinitiative schafft eine Grundlage, dass ökologisch wertvolle Gebiete geschützt, die Landschaften und das baukulturelle Erbe erhalten und die Artenvielfalt in der Schweiz bewahrt werden können. Mit dem Stromgesetz wird der Ausbau erneuerbarer Energien vorangetrieben. Der Schutz unserer Lebensgrundlagen und die Energiewende sind nicht nur miteinander vereinbar. Sie müssen Hand in Hand gehen.

Auskunftspersonen:

  • Pro Natura: Urs Leugger, Präsident Trägerverein, Geschäftsleiter Pro Natura, Tel. 079 509 35 49, @email
  • BirdLife Schweiz: Raffael Ayé, Geschäftsführer, Tel. 076 308 66 84, @email
  • Schweizer Heimatschutz: Peter Egli, Leiter Kommunikation, Tel. 044 254 57 06, @email
  • Stiftung Landschaftsschutz Schweiz: Franziska Grossenbacher, Stv. Geschäftsleiterin, Tel. 076 304 43 58, @email
  • Medienstelle Biodiversitätsinitiative: Manuel Herrmann, Tel. 078 765 61 16, @email