Subventionspolitik: Die Natur ist die grosse Verliererin
Es ist eine bittere Erkenntnis: Die Schweiz fördert mit ihrer Subventionspolitik den Rückgang der Biodiversität. Die Massnahmen, die wir für die Natur ergreifen, und die finanziellen Mittel, die wir dafür aufwenden, muten angesichts der Subventionswalze des Bundes geradezu lächerlich an. Als Naturfreundin oder -freund sollte man sich davon aber nicht entmutigen lassen. Im Gegenteil: Jetzt ist der Zeitpunkt, zu handeln.
Die WSL-Studie muss auf nationaler Ebene als Mahnung verstanden werden, in der Landwirtschaftspolitik endlich voranzukommen, zumal gerade dieser Bereich für einen grossen Teil der biodiversitätsschädigenden Subventionen verantwortlich ist. Die Weiterentwicklung der Agrarpolitik (AP22+) wird zurzeit im Parlament beraten. Es gibt viele Möglichkeiten, das heutige Subventionssystem zu reformieren, etwa indem man die Stützung des Milchmarkts aufgibt oder die Strukturverbesserungsprojekte stärker an Biodiversitätskriterien ausrichtet. Und trotzdem setzen die Agrarlobby und einige Volksvertreter alles daran, diese Diskussion auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben.
Hinzu kommt, dass man noch immer nicht weiss, welchen Einfluss die kommunalen und kantonalen Subventionen auf die Natur haben. Wir müssen Druck auf unsere Politikerinnen und Politiker in den Gemeinden und Kantonen ausüben, damit sie das bestehende Subventionssystem durchleuchten und analysieren, wie es sich auf die Biodiversität auswirkt. Dieser erste Schritt ist aufwendig, aber unerlässlich, um die Nebenwirkungen der heutigen Politik im Bereich der direkten und indirekten Wirtschaftsförderung sichtbar zu machen. Da starke ökonomische und politische Interessen auf dem Spiel stehen, wird der ökologische Umbau des Subventionssystems nicht von heute auf morgen erfolgen.
Auch wir als Verbraucherinnen und Verbraucher sollten versuchen, uns bei den Kaufentscheiden nicht beeinflussen zu lassen. Der Absatz von Fleisch- und Milchprodukten wird durch Werbekampagnen gefördert, die der Bund mit Subventionen und Steuergeldern unterstützt. Reduzieren wir den übertriebenen Konsum, indem wir einfach weniger kaufen! Das wird der Umwelt und uns selbst guttun.
Föderalismus begünstigt Flächenverbrauch
Nahezu alle Kantone und Gemeinden versuchen, mit finanziellen Anreizen (Steuervergünstigungen, Darlehen, Kreditbürgschaften) die Ansiedlung oder den Ausbau des Industrie-, Gewerbe- und Dienstleistungssektors zu fördern. Der Boden dazu wird bereits in der Raumplanung gelegt: Um sich ein breit gefächertes Entwicklungspotenzial zu sichern, scheidet jede Gemeinde ihre eigenen Gewerbe- und Industriezonen aus. Wertvoller Boden könnte für die Natur freigehalten werden, wenn stattdessen regionale «Cluster» gefördert würden.
- Isabelle Bühler/Pro Natura
Die Zerstörung der letzten freien Gewässer wird gefördert
Kein anderes europäisches Land nutzt seine Gewässer zur Stromproduktion so stark wie die Schweiz. Dies ist einerseits erfreulich, weil die CO2-freie Wasserkraft rund 60 Prozent unseres Strombedarfs abdeckt. Andererseits hat der Bau von rund 1400 Wasserkraftwerken auch massive Spuren an der Biodiversität hinterlassen: Kaum ein Gewässer fliesst in der Schweiz noch unbeeinträchtigt, drei Viertel aller Fischarten sind zumindest gefährdet, 60 Prozent der Wasserpflanzen bedroht. Deshalb ist es aus Sicht der Biodiversität wichtig, dass nun nicht auch noch die letzten frei fliessenden Gebirgsbäche der Stromproduktion geopfert werden — zumal diese kleinen Gewässer nur ein geringes Stromförderungspotenzial haben.
- Isabelle Bühler/Pro Natura
Überhöhte Nutztierbestände werden bewusst subventioniert
Die Produktion von Fleisch wird in der Schweiz auf vielfältige Weise gefördert: So gibt es zum Beispiel Einlagerungsbeiträge für Kalbfleisch, Beiträge für die Entsorgung von tierischen Nebenprodukten, Förderbeiträge für die Tierzucht, Tierseuchenbeiträge, reduzierte Mehrwertsteuersätze auf Kraftfutter oder Finanzhilfen für Marketingmassnahmen. Für die Absatzförderung erhält die Fleischwirtschaft jedes Jahr rund 6 Millionen Franken vom Bund. Eine parlamentarische Initiative zur Streichung dieser Mittel wurde unter dem Vorwand abgeschmettert, dass die Werbung für Schweizer Fleisch unsere Wirtschaft stützt. Über die ökologischen Kosten der hohen Tierbestände (Stickstoff- und Treibhausgasemissionen usw.) und die negativen Folgen des übermässigen Fleischkonsums für unsere Gesundheit sah das Parlament hinweg.
- Isabelle Bühler/Pro Natura
Der Trugschluss von der Selbstfinanzierung des Strassenverkehrs
Rund 8500 Millionen pro Jahr geben Bund, Kantone und Gemeinden für den Bau und Unterhalt von Strassen aus. Gedeckt werden diese Ausgaben durch die Einnahmen aus der Mineralölsteuer, dem Mineralölsteuerzuschlag, der Automobilsteuer, der Vignettenabgabe, der Motorfahrzeugsteuer. Autolobbyisten behaupten deshalb gerne, dass der Strassenverkehr sich selbst finanziere — ein grosser Trugschluss, denn die externen Kosten des Verkehrs, die ein Vielfaches des Strassen-budgets betragen, werden von der Allgemeinheit übernommen. Weil alle Verkehrsabgaben zweckgebunden sind, entsteht für die Biodiversität eine Art Schneeballeffekt: Je mehr Auto gefahren wird, desto mehr Geld steht in den kommenden Jahren für den Strassenbau zur Verfügung – und der Schaden für die Umwelt wird immer grösser.
- Isabelle Bühler/Pro Natura
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Dieser Artikel wurde im Pro Natura Magazin publiziert.
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