Freie Bahn für Wildtiere
Wildtiere wandern: Zwischen Schlaf- und Futterplätzen, zwischen Sommer- und Winterlebensräumen oder zu ihren Fortpflanzungsstätten. Einzelne Tiere ziehen weiter, um neue Gebiete zu besiedeln. Diese Wanderungen sind sehr wichtig, damit die Arten nicht aussterben.
Nicht nur grosse Säugetiere wie der Rothirsch müssen sich frei bewegen können. Auch Luchs, Dachs, Feldhase, Baummarder, Igel, Laubfrosch und Zauneidechse haben wie fast alle Tiere einen Bewegungsdrang und typische Wanderrouten, sogenannte Wildtierkorridore oder Bewegungsachsen.
Ohne Mobilität kein Überleben
Der Austausch zwischen Tierbeständen verschiedener Gebiete ist entscheidend für ihr Fortbestehen. Je kleiner und isolierter die Population, desto grösser ist das Risiko, dass die Art ausstirbt. Und die Bedrohung nimmt zu: Immer mehr Strassen, Bahnlinien, Siedlungen, kanalisierte Gewässer und intensiv genutzte Landwirtschaftsflächen zerschneiden die traditionellen Verbindungswege der Wildtiere.
Damit Strassen und Eisenbahnlinien keine lebensgefährlichen Hindernisse für Wildtiere werden, braucht es Wildtierbrücken oder -unterführungen sowie Kleintierdurchlässe und Amphibientunnel. Wichtig ist, dass es sich um die richtigen Anlagen für die betroffenen Arten handelt und dass die Anlagen gut mit den umliegenden Naturlandschaften vernetzt sind.
Die Wanderwege der Tiere sind blockiert
Pro Natura fordert, dass beeinträchtigte oder unterbrochene Wildtierkorridore wieder durchgängig gemacht werden. Bei der Planung von Infrastrukturen wie Strassen oder Bahnlinien müssen die Planer möglichst früh und konsequent Rücksicht nehmen auf die Bewegungsbedürfnisse der Wildtiere. Nur so können sie eine weitere Zerschneidung der Wildtierlebensräume verhindern.
Im Jahr 2001 erfasste das Bundesamt für Umwelt (BAFU) 304 überregionale Wildtierkorridore für die Schweiz. Der Zustand dieses Wegenetzes war erschreckend: Nur gerade einmal ein Viertel (28 Prozent) der Wildtierkorridore waren intakt, 56 Prozent beeinträchtigt und 16 Prozent total unterbrochen. Zehn Jahre später hat das BAFU die Situation überprüft. Fazit: Der Zustand war schlecht, und er verbesserte sich nicht. Erst die Entwicklungen der letzten Jahre geben wieder etwas Grund zur Hoffnung.
20‘000 Wildtierunfälle pro Jahr
Jedes Jahr zählt das Bundesamt für Umwelt (BAFU) über 20‘000 tödliche Wildunfälle. Diese Zahl umfasst nur grössere Säugetiere vom Hirsch bis zum Hasen. Alles was kleiner ist, wird nicht erfasst. Aber gerade Amphibien sind bei ihren saisonalen Wanderungen extrem gefährdet.
Es gibt zwar technische Massnahmen, um die Tiere an der Strasse abzuschrecken. Dieser Schutz reicht aber bei Weitem nicht aus, um Wildunfälle zu verhindern. Wildwarnsysteme sind derzeit die wirksamste technische Lösung. Diese warnen die Verkehrsteilnehmenden, sobald sich Tiere der Fahrbahn nähern.
Auch rund ums Haus gibt es Fallen
Aber nicht nur Strassen können tödliche Fallen für Wildtiere sein: Auch im Siedlungsraum, im Garten und rund ums Haus gibt es viele Barrieren und Fallen für Kleintiere, zum Beispiel Zäune und Netze. Ebenerdig angelegte Licht-, Lüftungs- oder Entwässerungsschächte sind für Kleintiere tödliche Fallgruben. Kellerabgänge, Gartenteiche und Swimmingpools bergen ähnliche Gefahren. Mit einem kleinen Aufwand können Sie diese Fallen entschärfen.
Was Pro Natura tut
Mit der vergangenen Kampagne «Freie Bahn für Wildtiere!» hat Pro Natura zwischen 2017 und 2019 den Fokus auf die zerschnittenen und beeinträchtigten Wildtierkorridore gelegt. Dabei ging es darum, über die Wanderbedürfnisse der Wildtiere zu informieren, um in der Bevölkerung ein Verständnis für die Bedeutung der wichtigen Korridore zu schaffen. Ausserdem arbeitete Pro Natura mit einigen Kantonen und Bundesämtern zusammen, um die Sanierung von Wildtierkorridoren voranzutreiben.
Aber auch Pro Natura selbst ist aktiv an der Schaffung neuer Korridore beteiligt. Mit über 700 Naturschutzgebieten setzt Pro Natura konsequent auf die Vernetzung von natürlichen Lebensräumen, sodass sich geschützte und gefährdete Tierarten zwischen verschiedenen Lebensräumen hin und her bewegen können. Pro Natura Sektionen pflegen vielfältige Kleinstrukturen und Böschungen, welche viele verschiedene Tierarten als Bewegungsachsen und Verstecke nutzen.
Was Sie selbst tun können
Besonders wichtig ist, dass die Tiere auf den Wildtierkorridoren nicht gestört werden. Betreten Sie keine Wildtierbrücken und -unterführungen. Ansonsten werden die Tiere diese Korridore nicht nutzen. Wenn Sie Wildtiere sehen, dann verfolgen Sie sie nicht oder leuchten Sie nicht mit Ihrer Taschenlampe an.
Auch im Winter ist die Gefahr gross, Tiere zu stören, zum Beispiel bei Ski- und Schneeschuhtouren, Freeride-Abfahrten und Wanderungen. Respektieren Sie bitte die Wildruhezonen und Wildtierschutzgebiete und nehmen Sie Ihren Hund in sensiblen Gebieten an die Leine.
Wenn Sie in der Morgen- oder Abenddämmerung mit dem Auto an Waldrändern unterwegs sind, passen Sie das Tempo bitte den Umständen an: Gerade zu diesen Tageszeiten versuchen die Wildtiere, Strassen zu überqueren. Und wenn Sie zu Hause sind, achten Sie auf Barrieren und Wildfallen in Ihrem Garten und Ihrer Umgebung. Versuchen Sie, diese zu entfernen und keine neuen zu schaffen. Die Wildtiere sind Ihnen dankbar!